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Schweigen für Johannes Rau

■ Die Creme der deutschen Kabarettisten im SPD–Wahlkampf / Ersatzbirne ist nicht gefragt

Düsseldorf (taz) - Das war eine seltsame Veranstaltung. Man wollte dazu beitragen „die Birne aus der Fassung“ zu bringen, hatte sich auf Einladung des unermüdlichen Klaus Staeck und seiner „Aktion für mehr Demokratie“ zusammen gefunden und schaffte es dann, sechs Stunden lang die personelle Alternative nicht einmal zu erwähnen. Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, Thomas Freitag, Hans Scheibner, Hans Dieter Hüsch, Lore Lorentz und Werner Schneyder legten ein glänzendes Programm hin, spielten aber Transmissionsriemen für eine Politik, die zu repräsentieren nicht gerade zu den vornehmsten Aufgaben des derzeitigen Kandidaten der SPD gehört. Insofern war das Schweigen zu Rau konsequent. „Nicht das kleinere Übel, sondern die größere Hoffnung“ wollte man propagieren. Allerdings: „Bringt die Birne aus der Fassung“ sei schön und gut, nur, „welche Birne drehen wir hinein?“ fragte der Theaterintendant Hansgünter Heyme. Daß man mit solchen quälerischen Selbstzweifeln ein paar Wochen vor der Wahl der Optimismuskampagne der Kohl–Truppe erfolgreich begegnen kann, glaubt wohl Heyme selbst nicht. Den Mann, den sie gerne vorne sähen, trat in Essen selbst auf. Begeistert feierten sie ihren Oskar Lafontaine. Doch als der sagte: „Ich bekenne mich hier ausdrücklich zu meinem Freund Johannes Rau und bitte um Solidarität“, da reagierte ein Teil der 7.000 Besucher mit Buhrufen. „Wer die Birne aus der Fassung bringen will“, so Lafontaine händeringend, „der muß sich zur politischen Alternative bekennen.“ Ja schon, aber mit gequältem Gesichtsausdruck, signalisierte der Saal. Jakob Sonnenschein

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