piwik no script img

Schwedische Fußballerinnen bei Pride ParadeUmstrittenes Coming-out

Zum Ärger einiger Fans nehmen drei Stockholmer Fußball-Erstligistinnen an einer Parade von Homosexuellen teil.

Nahm an der Pride-Parade teil: Schwedens Superfußballerin Victoria Svensson, dritte Blondine von links. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Sportgeschichte sei am Wochenende geschrieben worden, meinen mehrere schwedische Zeitungen. An der Stockholm-Pride nahmen erstmals VertreterInnen der drei Erstliga-Fußballvereine der schwedischen Hauptstadt teil. Und die Farben von Djurgården IF repräsentierte mit Fahne und Vereinstrikot eine der populärsten Fußballerinnen des Landes. Sie habe es nun an der Zeit gesehen, sich an der Pride-Parade beteiligen zu können, erklärte Victoria Svensson, Kapitän der Frauennationalmannschaft: "Früher hab ich höchstens mal unter den Zuschauern gestanden."

Es war lange ein offenes Geheimnis. Doch die schwedischen Medien hatten den Wunsch der 31-jährigen Fußballerin respektiert, nicht darüber zu schreiben, dass sie seit zehn Jahren mit einer Frau zusammenlebt. Auch die Hochzeit mit ihr im April letzten Jahres wurde nicht an die große Glocke gehängt. Sogar als sie Mutter wurde, schrieben die Zeitungen nur diskret, dass "Vickan" und ihr Lebensgefährte Eltern geworden seien. Verschwiegen aber, dass dieser Lebensgefährte eine Frau ist. Erst zwei Monate nach Geburt der Tochter Moa, geboren von ihrer Frau, outete sich Victoria Svensson offiziell: "Ich war so unheimlich stolz über meine Familie, so dass ich auch offen damit umgehen wollte." Sie habe nicht das Gefühl gehabt, sich vorher "versteckt" zu haben, berichtete sie damals: "Ich wollte ja für die Öffentlichkeit die Fußballspielerin Vickan sein und nichts anderes."

Auch in Schweden ist das Coming-out für einen Fußballprofi wie Svensson keine Selbstverständlichkeit. Als der schwedische Schwulen- und Lesbenverband RFSL im Jahre 2003 eine Studie über die sexuelle Identität im Frauenfußball erstellte, erwies es sich schwierig, überhaupt Spielerinnen und Funktionäre zu finden, die daran teilnehmen wollten. Viele wagten lediglich anonym über die Homophobie zu berichten, die es nicht nur in ihrer Umgebung, sondern teilweise auch im Verein gebe. Und die vor allem offen zum Ausdruck kam, wenn auf Festen Alkohol die Zungen gelockert hatte. Fazit der damaligen Studie: Die Vereine hätten es am liebsten, wenn Homosexualität nicht öffentlich gelebt würde. Es wurden auch in ansonsten toleranten Vereinsmilieus in der Praxis Restriktionen gefordert und Grenzen gesetzt, wie lesbische Spielerinnen aufzutreten hätten. Und es gab auch die Angst, Eltern würden ihre Mädchen nicht mehr am Fußballtraining teilnehmen lassen, wenn ein Verein als "zu lesbisch" eingeschätzt würde.

"Ich weiß es nicht", antwortete Victoria Svensson auf die Frage, ob es weibliche Spitzenfußballerinnen leichter als ihre männlichen Kollegen hätten, ihre Homosexualität öffentlich zu machen. Ihr eigener Verein Djurgården IF soll laut Medienberichten erst Nein zu einer offiziellen Pride-Teilnahme in den Vereins-farben gesagt haben. Und war schließlich auch nur mit einigen Angehörigen der Frauenmannschaft repräsentiert. Was laut Vorsitzendem Per Darnell aber lediglich damit zu tun gehabt haben soll, dass sich die Herren auf ein wichtiges Punktspiel vorbereiten mussten. Ähnlich begründeten die Führungen der beiden anderen Erstligaklubs Hammarby und AIK das Fehlen von männlichen Profis.

Debattenbeiträge auf Fan-Seiten zeigen, dass die Pride-Teilnahme dort ein heißes Diskussionsthema ist. Auf dem "Gnagarforum" von AIK ist von "so eine Idiotie, dass der Verein an einem Schwulenaufzug teilnimmt", über die Ankündigung "nun trete ich aus" bis zu "du Neandertaler, hast wohl die Zeit verschlafen" jede Meinung zu finden. Der Hammarby-Fanklub "Bajen Fans" sprach sich in einer Stellungnahme offiziell gegen die Teilnahme seiner Klubvertreter aus. Begründung: "Nicht aus moralischen Gründen, sondern weil wir nicht mit einer politischen Stellungnahme außerhalb unseres Interessengebiets in Verbindung gebracht werden wollen."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!