Schwedische Friedensaktivistin wieder frei: Abrüsterin mit Gewissen
Annika Spalde ist Diakonin in Schweden und musste ins Gefängnis, weil sie ein Kampfflugzeug symbolisch abrüstete. Jetzt ist sie wieder frei, doch noch lange nicht bekehrt.
STOCKHOLM taz | Die Frage "War es das wert?" sei falsch gestellt, meint Annika Spalde. Am Mittwoch haben sich für die 40-jährige Diakonin in Schwedens protestantischer Kirche die Tore der Haftanstalt Ljustadalen wieder geöffnet. Sie hat zwei Drittel ihrer sechsmonatigen Gefängnisstrafe abgesessen und durfte nach Hause zurückkehren. Zu Ehemann Pelle.
Der war bereits Anfang Juli entlassen worden. Er hatte nur vier Monate Haft bekommen. Zusammen mit Martin, einem dritten Aktivisten des Abrüstungsnetzwerks Ofog, waren sie in der Nacht zum 22. März an einem Hangar des Waffenherstellers Saab in Linköping festgenommen worden. Dort wollten sie mit einem Hammer ein Kampfflugzeug vom Typ "Jas-Gripen" symbolisch "abrüsten", das für den Export nach Thailand bestimmt war.
"Es ist eine existenzielle Frage, eine Gewissensfrage für mich: Was ist meine Verantwortung als Schwedin, wenn ich weiß, dass wir von hier aus die ganze Zeit Waffen in Konfliktgebiete schicken?" Schweden ist - hinter Israel - das zweitgrößte Waffenexportland der Welt, gemessen an der Einwohnerzahl.
Annika Spalde
Es ist nicht Annika Spaldes erste Hafterfahrung, die jetzt zu Ende geht. Seit 1996 ist sie in Pflugschargruppen aktiv. Zu einem Jahr Gefängnis war sie bereits Ende der 90er-Jahre einmal in England verurteilt worden, wegen einer "Abrüstungsaktion" an einem Trident Atom-U-Boot. Sie versteht Menschen, die meinen, sie habe zwar recht in der Sache, greife aber zu falschen Methoden. Aber habe nicht auch Jesus zu Methoden zivilen Ungehorsams gegriffen? Und was sei eigentlich destruktiver: der Schutz von Waffen oder die Zerstörung durch Waffen?
Die christliche schwedische Zeitung Dagen präsentierte Annika Spalde auf ihrer Liste der "besten Vorbilder" des Jahres 2008. Weil sie "agiere, um anderen die Augen zu öffnen". Ihre Gefängniszeit beschreibt die ausgebildete Krankenschwester so: "Ganz okay, gute Stimmung, gutes vegetarisches Essen." Schlimmer sei die Verurteilung zu 15.000 Euro Schadenersatz. Geld, das sie nicht habe.
Der anstehende Offenbarungseid werde den Alltag schwerer machen. Doch das werde sie nicht hindern, auch in Zukunft zu versuchen, Sand ins Getriebe der Rüstungsindustrie zu streuen. Ungesetzliche Methoden nicht ausgeschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren