piwik no script img

■ Schwedens Ministerpräsident Olof Palme wurde 1986 wahrscheinlich doch von südafrikanischen Polizeikommandos ermordet. Der ehemalige Chef der "Todesschwadronen" Pretorias, Dirk Coetzee, packte aus und nannte den Namen des Täters.Olof Palm

Schwedens Ministerpräsident Olof Palme wurde 1986 wahrscheinlich doch von südafrikanischen Polizeikommandos ermordet. Der ehemalige Chef der „Todesschwadronen“ Pretorias, Dirk Coetzee, packte aus und nannte den Namen des Täters.

Olof Palmes Killer kamen vom Kap

Für Dirk Coetzee gibt es „nicht den geringsten Zweifel, daß es Agenten eines südafrikanischen Polizeikommandos waren“, die am 28. Februar 1986 Olof Palme in Stockholm auf offener Straße erschossen. Nachdem Ende letzter Woche schon Eugene de Kock, Exkommandeur der berüchtigten Vlakplaas-Einheit, vor Gericht die Verwicklung des Apartheidregimes in die Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten bestätigt hatte, verriet am Samstag sein Vorgänger als Chef der Killertruppe, Dirk Coetzee, in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehen weitere Einzelheiten zum Hintergrund der Tat.

Insgesamt 80 bis 90 Agenten Pretorias seien in das sorgfältig geplante Attentat verwickelt gewesen, sagte Coetzee. Die in Schweden anwesenden Attentäter seien nach der Tat nach Griechenland geflüchtet und von dort einzeln nach Südafrika zurückgereist. Der Attentäter selbst, ein Söldner namens Anthony White, habe sich nach der Tat in der Ägäis versteckt und lebe heute in Mosambik.

Der Sozialdemokrat Olof Palme war zum Zeitpunkt seiner Ermordung erklärter Gegner der Rassenherrschaft am Kap und galt als einflußreicher Fürsprecher von Boykottmaßnahmen gegen Südafrika. „Palme war ein Dorn im Fleisch des Apartheidregimes“, sagte Coetzee. „Er war gegen die Apartheid und unterstützte den ANC. Zudem gab er ein relativ leichtes Ziel ab.“ Theorien über eine südafrikanische Geheimdienstverschwörung gehörten schon kurz nach dem Mord zu den öffentlich erörterten Mordhypothesen. Die Polizei stellte die Ermittlungen in diese Richtung aber wegen Mangels an stichhaltigen Indizien 1990 endgültig ein.

Coetzee bestätigte auch Aussagen de Kocks, wonach der Exagent Craig Williamson in den Mord verwickelt gewesen sein soll. Daß Williamson sich in der Mordnacht tatsächlich in Schweden aufgehalten hat, bestätigte jetzt auch völlig überraschend der schwedische Oberstaatsanwalt Jan Danielsson. „Wir wissen, daß er in Schweden war, aber er war nicht am Tatort.“ Immerhin, soviel weiß man, wohnte Williamson nur 200 Meter vom Tatort in einem Polizei-Gästehaus. Derzeit sucht die Palme-Fahndung nach dem nicht mehr auffindbaren Gästebuch des früheren Polizeireviers.

Wie der ehemalige Reichskriminalpolizeichef Tommy Lindström am Samstag in der Tageszeitung Aftonbladet bestätigte, bekam die Polizei schon kurz nach dem Mord 1986 „einen Tip, daß Williamson mit einer Todespatrouille hier gewesen sei und die Tat ausgeführt hätte“. Williamson selbst erklärte am Freitag in Luanda (Angola) gegenüber der Nachrichtenagentur AP, diese Version sei doch nicht neu. „Das ist doch eine alte Geschichte“, sagte er, „die schwedischen und südafrikanischen Behörden haben den Fall schon vor Jahren untersucht. Und sie wissen: Die Behauptungen sind gegenstandslos.“

Indes wurde in Stockholm bekannt, daß eine ganze Reihe wegen rechtsextremer Neigungen bekannter Stockholmer Polizeibeamte in den Monaten vor und nach der Ermordung Palmes nach Südafrika gereist sind. Diese Besuche fanden zu einer Zeit statt, als Schweden jeden Handels- und Besuchsverkehr mit Südafrika boykottierte. Die Besuche wurden eher zufällig von der Polizeigewerkschaft registriert.

Klar wurde am Wochenende auch, daß es bereits einige Monate nach dem Mord detaillierte Hinweise auf eine mögliche Beteiligung südafrikanischer Agenten gegeben hat, ohne daß diesen Hinweisen nachgegangen worden wäre. Ein Versäumnis, daß der ehemalige schwedische Außenminister Sten Andersson am Samstag „einen Skandal“ nannte. Nach diesen Hinweisen, die aus mindestens drei voneinander unabhängigen Quellen der Fahndungsleitung bekanntwurden, sollen südafrikanische Geheimdienstangehörige mit einem VW-Bus einige Tage vor dem Attentat über Dänemark nach Schweden eingereist sein.

Beim Attentat und auf der Flucht hätten Südafrikas Agenten die Hilfe schwedischer Rechtsradikaler gehabt. In diesem Zusammenhang dürfte nicht unbedeutend sein, daß Südafrika skandinavische Rechtsextremisten nachweislich jahrelang finanziell unterstützt hat. Vom britischen Geheimdienst hatte die schwedische Sicherheitspolizei wenige Tage vor dem Mord eine Warnung erhalten, südafrikanische Agenten seien auf dem Weg nach Schweden und planten ein Attentat.

Vertreter der schwedischen Polizei wollen noch in dieser Woche nach Südafrika reisen und versuchen, direkte Aussagen von de Kock und möglicherweise auch anderen Exgeheimdienstlern zu erhalten. In ihrer jüngsten Ausgabe berichtet die südafrikanische Wochenzeitung Weekly Mail, daß Eugene de Kock seine Aussage zur Täterschaft bereits im letzten Jahr gegenüber der Staatsanwaltschaft gemacht habe, ohne daß dies bislang bekanntgeworden wäre oder zu Reaktionen geführt hätte. Auch Dirk Coetzee behauptete am Sonntag in einem Gespräch mit dem schwedischen Rundfunk, er habe sein Wissen über den Palme- Mord schon vor Jahren der südafrikanischen Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Es habe sich dort nur niemand dafür interessiert. Reinhard Wolff, Stockholm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen