■ Schweden: Persson will mit Ex-Kommunisten zusammenarbeiten: Linksruck auf Zeit
Die Sozialdemokraten sind in Schweden klar die größte Partei geblieben. Mit 36,6 Prozent liegen sie auf einem, an europäischen Maßstäben gemessen, normalen Niveau. Doch für die schwedischen GenossInnen gelten andere Maßstäbe. Für sie ist das Ergebnis eine Katastrophe, das sich nur in Superlativen beschreiben läßt: das schlechteste Resultat, seit es in Schweden demokratische Wahlen gibt.
Die Katastrophe war absehbar. Als die Sozialdemokraten vor vier Jahren die Macht von den Bürgerlichen zurückerobert hatten, standen sie vor einem Trümmerhaufen: eine krisenhafte Wirtschaft, Arbeitslosigkeit in Rekordhöhe , eine horrende Staatsverschuldung und eine zu stetig neuen Tiefen sinkende Währung. Das Sanierungsrezept, das man wählte, war radikal. Es traf vor allem jene, denen es ohnehin schlecht ging: Kranke, Arbeitslose, Familien mit Kindern – die eigenen Stammwähler. Recht unbeschadet kamen Mittel- und Oberschicht davon. Für die, die ihr Geld an den Börsen machten, war unter den Sozialdemokraten jeden Tag Weihnachten.
Die Kluft zwischen den Klassen sei unter seiner Regierung größer geworden, mußte Ministerpräsident Persson im Wahlkampf auch unumwunden eingestehen. An seiner Botschaft, um Schweden zu „retten“, sei dies der einzig mögliche Kurs gewesen, zweifelten nicht nur manche ÖkonomInnen, sondern auch immer mehr aus der GenossInnenschar. Die deutlich verbesserte gesamtwirtschaftliche Lage ist am wenigsten den Einsparungen geschuldet, für die man jetzt WählerInnenprügel bezog: den kräftigen Personaleinschnitten im öffentlichen Sektor. Denn was man beim Sozialetat einsparte, mußte die Arbeitslosenkasse für die Beschäftigungslosen wieder auszahlen. Eine Milchmädchenrechnung, mit der man jeden vierten Stammwähler vergraulte.
Profitiert hat davon die exkommunistische Linkspartei, mit der Persson nun regieren will. Die Linkspartei will nicht nur keinen Abbau des Sozialstaats, sondern dessen Neuaufbau. Auch die Sozialdemokraten haben – allerdings zu spät, um das Wahldesaster zu verhindern – kürzlich einen vorsichtigen Kurswechsel weg von dem wirkungslosen Einsparungskurs eingeleitet. Linkspartei und Grüne können daher durchaus auf offene Ohren rechnen, wenn sie eine Wiederaufrüstung des öffentlichen Sektors fordern.
Die Frage ist nur, wie lange. Der nächste Konjunkturabschwung kommt bestimmt. Wenn die SozialdemokratInnen ihrem bisherigen Politikmuster treu bleiben werden, wird es spätestens dann einen Partnerwechsel nach rechts und neue Einsparungsorgien geben. Reinhard Wolff
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