Schwarze Liste: Jäger zielen auf Gänsefreunde
Die Jägerschaft Aurich hat eine "Schwarze Liste" mit den Namen von Gegnern der Gänsejagd an ihre Mitglieder geschickt. Die Botschaft: "Das sind Spione. Waidmannsheil". Die Betroffenen finden das gar nicht lustig
Vogelfreunde im Ostfriesischen schlafen derzeit schlecht. Der Grund: Einige von ihnen stehen auf einer "Schwarzen Liste" der Jägerschaft Aurich. Etwa 30 Personen, die sich in der Vergangenheit gegen die Gänsejagd ausgesprochen haben, werden auf der Liste genannt. "Vorsicht ist geboten an der Gänsefront, die Front formiert sich! Spione sitzen überall! Waidmannsheil", schreibt die Pressesprecherin der Jägerschaft Aurich, Sabine Steffens aus Norden.
Ihr Chef, Claas Janssen, hat die Liste zusammengestellt. "Diese Leute wollen die Jäger bei der Gänsejagd überwachen. Die wollen denunzieren und anklagen. Das akzeptieren wir nicht", donnert er nach Gutsherrenart. Vor einem Jahr hatte der Naturschutzbund Nabu eine Petition gegen die Gänsejagd ins Internet gestellt. Einige Unterzeichner finden sich jetzt auf der Liste der Jäger wieder.
Gans oder nicht Gans
Weil die niedersächsische Jagdverordnung neu geregelt wurde, dürfen mehr Wildgänse auch in Vogelschutzgebieten geschossen werden. Das Problem: In Schutzgebieten sollte eigentlich Ruhe herrschen. Der Kiebitz fragt nicht, ob er gemeint ist, wenn es kracht. Die Jäger stören die Vögel, sagen die Naturschützer.
Zweites Problem: Viele Jäger können eine Graugans nicht von anderen Arten unterscheiden. Oh, wie schön ist Afrika! Da Löwe, hier Elefant, dort Warzenschwein. An der Heimatfront tummeln sich aber Zwerg-, Grau-, Bläss-, Ringel-, Brand- und wasnichtfür Gänse. "Alle Gänse treten gerne zusammen in Pulks auf", sagt der Gänseexperte Helmut Kruckenberg aus Verden. Es sei selbst für ExpertInnen schwer, die Tiere korrekt auseinander zu halten.
"Jäger können geschützte Gänse von jagdbaren nicht unterscheiden", berichtet ein Jagdfunktionär und ehemaliger Förster aus Oldenburg. Selbst Helmut Dammann-Tamke, CDU-Landtagsabgeordneter und Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen, warnt seine Waidmänner in einem Brief: "Vielleicht wäre es hilfreich, die Unterscheidungsmerkmale den Gastjägern vor Augen zu führen, damit wir nicht in Rechtfertigungsnot geraten."
Die Gänsestasi
"Wenn diese Leute uns Jäger bei der Jagd überwachen wollen, dann sind das Stasimethoden", wettert der Auricher Oberjäger Claas Janssen gegen die Kritiker der Gänsejagd. Manfred Knake, Gänsefreund vom Umweltverein Wattenrat, sagt, er könne "darüber gar nicht lachen". "Ich bin schon von Jägern beschossen worden." Knake steht auf der Liste. Eilert Voß, amtlicher Vogelzähler und ebenfalls auf der Liste, erzählt, dass die Jäger ihn mit Steinen traktiert hätten. Eberhard und Barbara Giese aus Norden wissen nicht, wie sie auf die Liste gekommen sind. Das sei "eine Bedrohung", sagen sie. Irritiert ist auch Ehler Cuno aus Leer, als er von seiner Nennung auf der Liste erfährt: "Wenn man sich für die Natur engagiert, scheint das wohl gefährlich zu sein."
Falsches Gänseklein
"Wir wollten die Jäger davor schützen, Straftaten zu begehen", begründet Gänseforscher Kruckenberg seinen Kampf gegen die Jagd auf Wildgänse. Er ist für die Landesbehörden als Gutachter tätig, um die Fress-Schäden der Gänse im Küstenraum Ostfrieslands zu untersuchen. "Da wird Wirtschaftsgut von den Tieren vernichtet", sagt Jäger Janssen. Kruckenberg widerspricht: So wie die Jagd zur Zeit geregelt sei, könne es "nur Bruch geben". Statt die Gänse abzuschießen, solle man die Entschädigungen für die Bauern fortschreiben.
Oberjäger Janssen sagt, ihm sei "nicht bekannt, dass wir geschützte Gänse abgeschossen hätten". Kruckenberg verweist dagegen auf "mehrere Gerichtsverfahren gegen Jäger", die geschützte Gänse abgeschossen hätten. In der Regel wurden solche Verfahren allerdings gegen eine Geldbuße eingestellt. "Der Sachverhalt, die falsche Gans abgeschossen zu haben", sei aber von keinem Gericht bestritten worden.
Jägers Ballermann
Kritik an den ostfriesischen Jägern gibt es schon länger. Zunächst betrieben sie den Abschuss von Kormoranen, dann fingen sie im Landkreis Leer in einer "Testphase" hunderte von Krähen, um sie anschließend mit Knüppel zu töten. Die Öffentlichkeit war entsetzt.
Für das Ansehen der Jägerschaft waren diese Vorfälle nicht gut. "Wir finden keinen Nichtjäger, den wir mit dem ,Goldenen Rebhuhn' auszeichnen können", bedauert Jäger-Präsident Dammann-Tamke. Die Plakette wird an Nichtjäger verliehen, die sich für die Jagd stark machen.
Poppen erzählt
Nicht gut für das Jäger-Image ist auch, was Theodor Poppen, Anwohner des Großen Meeres in der Nähe von Emden, erzählt. Er habe in der Nacht vom 26. auf den 27. September ein "stakkatohaftes Ballern gehört", sagt Poppen. "Ich gehe vor die Türe und höre ein Rauschen von auffliegenden Wildgänsen." Es sei dunkel gewesen, doch es habe sich ganz so angehört, als ob "mehr als zehn Jäger in den Gänsepulk geballert" hätten. "Irgendwas erkennen konnten die genauso wenig wie ich, sonst hätte ich die Jäger angezeigt", sagt Theodor Poppen.
Auch er steht auf der Schwarzen Liste der Jäger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag