: Schwarze Gewerkschaften vor mühsamer Einigung
Südafrikas Anti–Gewerkschaftsgesetz hat seine ersten Opfer gefordert, noch bevor es tatsächlich Gesetz ist. Diese Woche kamen zwei Bergarbeiter im Matla–Kohlebergwerk östlich von Johannesburg bei Kämpfen zwischen Mitgliedern der Bergarbeitergewerkschaft NUM und unorganisierten Arbeitern ums Leben. Die NUM– Arbeiter hatten in Matla und mehreren anderen Gold– und Kohleminen gegen das von der Regierung beabsichtigte neue Arbeitsgesetz protestiert. Ihre Kollegen aus den zwölf anderen Mitgliedsgewerkschaften des „Kongresses südafrikanischer Gewerkschaften“ (COSATU) haben in den letzten Monaten wöchentlich ähnliche Demonstrationen im ganzen Land veranstaltet. Doch eine koordinierte Strategie zur Bekämpfung dieses schweren Eingriffs in die Aktionsfreiheit der Gewerkschaften gibt es noch nicht. Genau das ist das Ziel des außerordentlichen Nationalkongresses, zu dem 1.500 COSATU–Delegierte heute und morgen in Johannesburg zusammenkommen. Im Gespräch sind landesweite Generalstreiks oder die Möglichkeit, von der Regierung verhängte Restriktionen einfach zu ignorieren. Auch eine engere Zusammen arbeit mit politischen Widerstandsgruppen wird diskutiert werden. Außerdem ist es möglich, daß die Gewerkschaften durch eigene Abkommen mit Arbeitgebern die neue Gesetzgebung einfach umgehen. Im Gegensatz zu rein politischen Organisationen wie der „Vereinigten Demokratischen Front“ (UDF) haben schwarze Gewerkschaften trotz ständig zunehmender Repressionen bisher noch immer einen gewissen Aktionsfreiraum. Denn die Apartheid–Regierung betont nach wie vor, daß sie die Gründung von Gewerkschaften für Schwarze begrüßt. Gleichzeitig versucht das Regime jedoch, politische Aktivitäten der Gewerkschaften zu unterdrücken. So wurde COSATU nicht, wie die UDF und 16 andere Organisationen, Ende Februar praktisch verboten. Statt dessen wurden COSATU politische Aktivitäten wie der Aufruf zu Boykotten und Sanktionen oder die Feier von wichtigen Jahrestagen des Widerstandes untersagt. Diese infolge des Ausnahmerechts befristeten Restriktionen sollen nun durch eine permanente Abänderung des Arbeitsgesetzes ergänzt werden. Vorgesehen sind unter anderem das Verbot von Solidaritätsstreiks und die Haftung der Gewerkschaften für durch illegale Streiks verursachte Schäden. Zusätzlich will ein geplantes Gesetz ausländische finanzielle Unterstützung von Anti–Apartheid Organisationen verbieten. Die Gewerkschaften sind jedoch finanziell noch immer stark von Solidaritätsbeiträgen internationaler Partnerorganisationen abhängig. „Wir sind konfrontiert mit einem massiven Angriff des Staates und des Kapitals auf Anti–Apartheid Organisationen“, sagt COSATU–Generalsekretär Jay Naidoo. In dieser Situation können schwarze Gewerkschaften sich den Luxus der noch bestehenden Differenzen nicht mehr leisten. So kam es letzte Woche im Beisein von Vertretern des ANC in Harare erstmals zu einem Treffen zwischen COSATU und Führern des rivalisierenden, der „Black Consciousness“ Philosophie folgenden „Nationalrates der Gewerkschaften“ (NACTU). Das Treffen brachte eine wichtige Annäherung. In einer Grußbotschaft an den COSATU–Kongreß sagte NACTU–Generalsekretär Piroshaw Camay am Freitag: „Es ist unsere Überzeugung, daß NACTU und COSATU in dieser Zeit zusammenarbeiten müssen, um eine permanente, militante und dynamische Rolle für die Arbeiterbewegung in unserem Land zu sichern.“ Doch nach Jahren der bitteren Konfrontation wird sich NACTU mit seinen etwa 400.000 Mitgliedern nicht ohne weiteres mit COSATU einigen können. Hinzu kommen anhaltende schwere Probleme innerhalb der COSATU– Föderation selbst. In einem ungeschminkten, offenen Brief an Gewerkschaftsmitglieder beschreiben COSATU–Führer in der jüngsten Ausgabe der COSATU News zahlreiche organisatorische Probleme. So werden Beschlüsse der Exekutive oft von den Mitgliedsgewerkschaften nicht umgesetzt. Mitgliedsgewerkschaften zahlen zudem ihre Beiträge an die Föderation nur selten und beteiligen sich nur sporadisch an COSATU–Gremien. In den Gewerkschaften selbst sind die Organsationsstrukturen oft nur auf dem Papier vorhanden, worunter zuerst die Arbeiter selbst leiden. Hinzu kommen heftige politische Grabenkämpfe, die die Durchführung von Mehrheitsbeschlüssen zum Teil unmöglich machen. Die Handelsgewerkschaft CCAWUSA ist beispielsweise seit Monaten in zwei rivalisierende Fraktionen gespalten. „Wir können ohne einander nicht existieren“, heißt es in dem Brief der COSATU–Exekutive. „Wenn wir einander nicht verstehen, nicht die Meinungen des Anderen respektieren, Mehrheitsbeschlüsse nicht befolgen, werden wir unseren Befreiungskampf zerstören.“ So geht die Bedeutung des außerordentlichen Kongresses an diesem Wochenende über eine bloße Reaktion auf repressive Maßnahmen der Apartheid–Regierung hinaus. Es geht um eine Erneuerung der schwarzen Gewerkschaften, um eine Beilegung erschöpfender und im Vergleich mit staatlichen Angriffen kleinlicher Streitereien. Kein Wunder, daß die Delegierten hinter verschlossenen Türen diskutieren werden. Hans Brandt (Johannesburg)
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