: Schwarz-grüner Horror in Oldenburg
Dass die neue Hamburger Parteikonstellation auch schiefgehen kann, zeigt sich nur wenige Kilometer entfernt
OLDENBURG taz ■ Vielleicht stehen CDU und Grüne tatsächlich am Beginn einer wunderbaren Freundschaft: Am Mittwoch besiegelten die einst arg verfeindeten Lager in der Hamburger Bürgerschaft die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene. Wenn der alte und neue christdemokratische Bürgermeister Ole von Beust aber noch nicht von einem „Modell für Deutschland“ sprechen will, denkt er dabei vielleicht an Oldenburg.
Dass Schwarz-Grün auch zum politischen Albtraum werden kann, zeigt sich 170 Kilometer im Südwesten der Hansestadt, an der Hunte. „Ich bin zutiefst enttäuscht“, jammerte der einst von CDU und Grünen gemeinsam inthronisierte parteilose Oldenburger Oberbürgermeister Gerd Schwandner in der vergangenen Woche. Zuvor hatte ihm der Rat mal wieder einen Herzenswunsch verweigert: Die Einstellung seines bislang vom Land Niedersachsen abgeordneten Büroleiters in die Stadtdienste. Keine Petitesse, kein Einzelfall: Schon die Zustimmung zum Haushalt der 160.000 Einwohner zählenden Stadt hatte der Rat Schwandner versagt. Er hat keine Mehrheit mehr hinter sich.
Dabei war Schwarz-Grün in Oldenburg nach der Kommunalwahl im Herbst 2006 hoffnungsvoll begonnen: Ein niedersächsischer Versuchsballon für die Zusammenarbeit zwischen CDU und Ökopaxen. Gemeinsam hatten die Parteien damals die scheinbar seit Ewigkeiten regierende SPD gestürzt, geeint vom Widerstand gegen eine Shopping Mall in der City, 90 Millionen Euro teuer, ein Betonmonster, das den Einzelhandel in der City zu bedrohen schien.
Erst seit der Kandidatur Schwandners hatte die CDU das Projekt bekämpft. Das Einkaufszentrum sei „überflüssig wie ein Kropf“, betonte Schwandner damals, die Grünen riefen dazu auf, ihn zu wählen. Der heute 56-jährige Chirurg hat zudem eine interessante Biografie: Von 1984 bis 1992 war Schwandner Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg, später Kulturstaatsrat in Bremen – damals noch als Grünen-Mitglied. Oldenburg könne durchaus Probelauf für schwarz-grüne Bündnisse auf Landes- und Bundesebene dienen, meinte Schwandner damals.
Heute würde er sich das noch mal überlegen. Nach nur 77 Tagen war die Oldenburger Traumhochzeit nämlich schon vergessen: Die Grünen verließen die Koalition, als Schwandner umfiel und sich plötzlich für eine kleinere Version des Einkaufszentrums des Hamburger Projektentwicklers ECE aussprach. „Wer schon in den Flitterwochen fremdgeht, hat jedes Vertrauenspotenzial verspielt“, sagte damals die Chefin der grünen Ratsfraktion, Anne Lück. Es gehe um die „Glaubwürdigkeit“ ihrer Partei.
Die Schose brachte auch Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU), in die Bredouille. Der Chef der Oldenburger CDU hatte Schwandner nach Niedersachsen geholt. Bei der Wahl zum Landtag im Januar verfehlte Stratmann sein Direktmandat, Nachwehen des Koalitionsbruchs: Aufkleber an Ampelmasten in der Innenstadt hatten zuvor dazu aufgefordert, „keine Stimme für CDU-Wahlbetrüger“ abzugeben.
Nun muss OB Schwandner im Rat mit wechselnden Mehrheiten regieren – seine Legislaturperiode dauert bis zum Jahr 2013. Die Grünen grübelten schon mehrfach über einen Abwahlantrag gegen den Oberbürgermeister. Aber dafür fehlen ihnen bislang die Stimmen der CDU.KAI SCHÖNEBERG