Schwarz-grüner Fleischskandal : Kommentar von Hannes Koch
Verkeimte Schlachtabfälle als Tortellini-Füllung – das war möglich, ist möglich und wird auch möglich bleiben in Deutschlands Lebensmittelbranche. So stehen die Dinge nach vier Jahren Verbraucherschutz durch Exministerin Renate Künast (Grüne) und am Beginn der Amtszeit ihres Nachfolgers Horst Seehofer (CSU). Das Kontrollprogramm, das der neue Verbraucherminister gestern mit der Fleischindustrie verhandelte, kann daran grundsätzlich nichts ändern.
Aus Anlass des aktuellen Fleischskandals positioniert Seehofer sich als der bessere Künast. Dies mag ihm gelingen, weil selbst die grüne Politik den aktuellen Skandal nicht verhindert hat. Künast etablierte zwar Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als politisches Topthema, doch auch unter ihrer Ägide blieb einiges liegen. Um die ohnehin zahlreichen Konflikte zu begrenzen, hat sie die Bundesländer, den Handel und die Fleischproduzenten geschont. Das ist ein einträgliches Betätigungsfeld für Seehofer, der mit pfiffigem Auftreten als Anwalt der Bürger schon heute Pluspunkte sammelt. Weil die Union in der großen Koalition sowieso zu wenige Sympathiethemen besetzt, könnte der verhinderte Gesundheitsminister bald zum neuen Liebling der Wähler aufsteigen.
Doch auch Seehofer scheint nicht willens, das Notwendige zu tun. Er fällt zwar nicht hinter das Niveau der Grünen zurück, geht aber auch nicht weit genug darüber hinaus. Mehrere Defizite bei der Lebensmittelkontrolle bleiben bestehen. Eines davon: Erst wenn Verbraucher vergiftet wurden, können die Gerichte empfindliche Strafen gegen Produzenten, Händler oder Verkäufer von verdorbenem Fleisch verhängen. Um ökonomischen Druck zu entfalten, müssten Sanktionen hingegen schon greifen, wenn die Verletzung der gesetzlichen Qualitätsstandards nachgewiesen ist.
Was von Seehofers steilem Start als Minister übrig bleibt, wird man sehen. Der beste Indikator: das von ihm angekündigte Verbraucherinformationsgesetz. Wäre der Minister tatsächlich bereit, den Konsumenten mit einer Datenbank Angaben über anrüchige Firmen zur Verfügung zu stellen, würde er zum Feind der Industrie avancieren – wie Künast.