Schwarz-gelbe Hartz IV-Pläne: Neuer Bürokratie-Horror für Arbeitslose
Das DIW-Institut rügt den geplanten Umbau der Jobcenter: "Konfusion der Langzeitarbeitslosen". Künftig sollen unterschiedliche Berater für Unterkunftskosten und Regelsatz zuständig sein.
BERLIN taz Der erneute Umbau der Jobcenter wird möglicherweise zulasten der Erwerbslosen gehen. Zu befürchten seien "Konfusion und Verwirrung bei den betroffenen Langzeitarbeitslosen", sagte am Montag Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Er befürchtet hohe Organisationskosten, doppelte Verwaltungsapparate und Reibungsverluste.
Die Bundesregierung will in den Jobcentern, die bundesweit rund 6,7 Millionen Leistungsempfänger betreuen, die getrennte Trägerschaft von Kommunen und Arbeitsagenturen wieder einführen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die gegenwärtige Mischverwaltung aus Bundesarbeitsagentur und Kommunen für grundgesetzwidrig erklärt und gefordert, bis Ende 2010 eine andere Lösung zu finden.
In den Jobcentern sind für die Regelleistungen zum Leben die Bundesarbeitsagentur für Arbeit (BA) zuständig, für die Erstattung der Miet- und Unterkunftskosten jedoch die örtlichen Städte und Gemeinden. Die gemischte Zuständigkeit war für den Leistungsbezieher bisher kaum spürbar.
Nach dem jetzt vorliegenen Eckpunktepapier aus dem Bundesarbeitsministerium müsse künftig die getrennte Aufgabenwahrnehmung für die Hartz-IV-Empfänger "kenntlich gemacht" werden. Dabei soll es zwar noch gemeinsame Antragsformulare geben, aber getrennte BeraterInnen für die Unterkunfts- und für die Regelleistungen."Nicht zulässig ist es, wenn eine Person sowohl zum Leistungsbereich der BA als auch zum kommunalen Leistungsbereich Auskünfte erteilt",heißt es in dem Papier. Beide Berater könnten aber "unter dem gleichen Dach" informieren.
Der neue Bürokratie-Horror für die ohnehin schon geplagten Langzeitarbeitslosen wäre vermeidbar, wenn das Grundgesetz geändert und damit die bisherige Mischverwaltung legalisiert würde. Auch der Deutsche Städtetag erklärte am Montag, er halte an seiner Auffassung fest, dass eine "verfassungsrechtliche Absicherung" der heutigen Jobcenter besser geeignet wäre, die Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten. Der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hatte eine Verfassungsänderung befürwortet, war damit aber an der Union gescheitert. BARBARA DRIBBUSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin