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Schwarz-gelbe GesundheitspolitikMediziner malen Horrorszenarios

Die aktuelle Rösler-Politik werde "viele Menschenleben fordern", unken Hausärzte. Sie fordern mehr Geld. Gestreikt wird später.

Kreativ und wütend: Hausärzte warnen vor Toten. Bild: dpa

BERLIN taz | Um die Öffentlichkeit von der Dringlichkeit ihres Anliegens zu überzeugen, hatte der Deutsche Hausärzteverband am Mittwoch in Berlin einiges aufgefahren: Ein Filmeinspieler ließ BürgerInnen in verschiedenen Städten Dinge wie "Betrug" und "Politiker machen, was sie wollen" sagen, eine überdimensionierte Medikamentenschachtel "Röslerol" wies auf "drei bittere Pillen" der Gesundheitspolitik hin und drei Ärzte-Vertreter befürchteten wortreich, die aktuelle Politik würde gar "viele Menschenleben kosten".

Was war passiert? Im Rahmen der Gesundheitsreform will Bundesminister Philipp Rösler (FDP) die Honorarzuwächse der Hausärzte für 2011 begrenzen und damit als Teil seines Sparpakets rund 500 Millionen Euro einsparen. Bei neuen Hausarztverträgen würden demnach die Honorare an die übliche Vergütung bei anderen Ärzten angepasst werden. Dagegen protestiert nun der Deutsche Hausärzteverband.

Zwar solle nicht gestreikt werden, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes, Eberhard Mehl, aber Ärzte könnten etwa PatientInnen sofort an Krankenhäuser überweisen, statt sie zu behandeln. "In einer nächsten Eskalationsstufe könnten wir dann in ausgewählten Regionen Praxisschließungen durchführen", kündigte Mehl für die Zukunft an. Auch eine Rückgabe der Kassenzulassung sei für Hausärzte denkbar, jedoch sehr risikoreich für die Mediziner, weil ihnen dann eine Rückkehr unmöglich wäre.

Mehl sagte, den Hausärzten hätte vor der Reform das Wasser bis zum Hals gestanden. "Jetzt dreht die Regierung wieder den Wasserhahn auf." Durch die Maßnahmen würde die Gesundheitsversorgung auf das Nieveau der Neunzigerjahre zurückfallen. "Ein Landkreis nach dem anderen wird seine Versorgung verlieren", so Mehl. Er begründete dies damit, dass es Landärzten um die Bezahlung gehe, und nicht um das fehlende Kulturangebot. Gesundheitsminister Rösler muss sich zunehmend mit einem Mangel von Ärzten auf dem Land auseinandersetzen, da auch aus demografischen Gründen in manch ländlicher Region zunehmend Haus- und Kinderärzte fehlen.

Am 15. September soll es einen Informationstag für PatientInnen geben, bei dem die Ärzte über die Folgen der Einsparungen informieren wollen.

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4 Kommentare

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  • KH
    Karin Haertel

    Da braucht man nix mehr malen, den Horror erlebt bereits seit Jahren jeder Kassenpatient. Den sozialen Status eines Bundesbuergers soll man nicht an seinen Zaehnen erkennen war einst Ex-Kanzler Schroeder´s Wahlversprechen, aber das Gegenteil war der Fall. Und nicht nur unzaehlige Zahnluecken schauen traurig, wenn sie sich ueberhaupt noch in die Oeffentlichkeit trauen. Der Kassenpatient erhaelt schon seit Jahren keine menschenwuerdige medizinische Versorgung mehr. Dieses System zum Erhalt weiter zu verteuern ist sinnlos, wenn sich ein jetziger Kassenpatient mit seinem aktuellen Zwangsbeitrag bereits locker eine Privatversicherung leisten koennte, es aber nicht kann, weil man ihm dieses Recht mit "Beiragsbemessungsgrenzen" verweigert.

  • E
    end.the.occupation

    >> Die aktuelle Rösler-Politik werde "viele Menschenleben fordern", unken Hausärzte. Sie fordern mehr Geld.

     

    Demnächst also sterbende Hausärzte in den Praxen, mit aufgequollenen Hungerbäuchen? Hausärzte die sich mit Obdachlosen um die Pfandflaschen in den Glascontainern streiten? Oder die auf belebten Strassenkreuzungen den Autofahrern anbieten ihren Blutdruck zu messen?

     

    Als viele hundert Euro im Monat zahlender Beitragszahler, der zuletzt selber eine Angehörige durch das Krankenhaus schieben durfte - weil zuwenig Leute auf der Station waren - eine Angehörige, die man nach einem krassen Pflegefehler in demselben Krankenhaus nahezu ein halbes dutzend mal operiert hatte - wieviel zig-tausend Euronen das gekostet hat will ich gar nicht wissen - kommen mir die Tränen der Rührung.

     

    Nicht nur angesichts dessen frage ich mich, wo das Geld eigentlich hängen bleibt.

  • H
    Harald

    Cool, ich werd Landarzt :D

  • DW
    Duehnen, Willi

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    Das Durchschnittseinkommen eines Arztes ist 160,000 Euro/ Jahr. Nun, das ist der Durchschnitt und sicher werden viele viel weniger in ihrer Praxis verdienen. Aber einses sollte man auch klar sagen: die kassenaerztliche Vereinung, der Bund der Aerzte, der Hartmann-Bund und wer sonst noch sollten sich ueber den Kuchen streiten und ihn gerecht verteilen. Man kann nicht immer mehr fordern, wenn die Taschen leer sind. Sonst muss eine Zwangsloesung her, und das will doch niemand. Die "freien Berufe" haben die Freiheit, das selbst zu loesen. Sorry, nix mit mehr Kohle.