Schwarz-gelbe Geschlechterpolitik: Kleine Männer brauchen viel Liebe
Schwarz-Gelb will gezielt Bildungspolitik für Jungen machen, weil sie in der Schule schlechter abschneiden als Mädchen. Doch die Ankündigung ist schwammig, noch fehlen handfeste Ideen.
BERLIN taz | Jungen und junge Männer sind die neue Zielgruppe von Union und FDP. Mit einer "eigenständigen Politik" wollen die künftigen Regierungspartner insbesondere deren "Bildungs- und Entwicklungschancen verbessern und ihnen neue Perspektiven eröffnen".
Darauf haben sich alle drei Parteien am Samstag bei den Koalitionsverhandlungen geeinigt. "Das ist eine Blickerweiterung, die schon lange nötig war", sagt die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Miriam Gruß. Sie hatte sich dafür eingesetzt, den Passus in den Koalitionsvertrag hineinzuschreiben. Gruß beruft sich dabei auf Studien wie die Shell-Jugendstudie des Jugendforschers Klaus Hurrelmann. Demnach schneiden Jungen schlechter in der Schule ab als Mädchen.
Dem im letzten Jahr veröffentlichten Bildungsbericht der Kultusminister zufolge ist vor allem eine Gruppe für die Verzerrung der Statistik zulasten der Männer verantwortlich: junge Männer mit Migrationshintergrund aus bildungsfernen Milieus. Jeder fünfte männliche Ausländer, also 20 Prozent, verlässt die Schule ohne Abschluss, von den jungen Männern mit deutschem Hintergrund sind es nur 9 Prozent.
Wie die Bildungschancen insbesondere der jungen männlichen Ausländer verbessert werden können, steht nicht im Koalitionsvertrag. "Das geht nur im Einklang mit den Ländern", meint Gruß und verweist auf deren Kompetenz in Bildungsfragen. Konkrete Maßnahmen, die Jungen helfen, müssten erst erarbeitet werden.
Sie könne sich zum Beispiel einen Boys Day vorstellen, analog zum jährlich stattfindenden Girls Day. An diesem Tag schnuppern Mädchen in Männerberufe rein, umgekehrt könnten sich Jungs in Kindergärten umtun. Ein großer Teil der Erzieherinnen ist dort nach wie vor weiblich. Das hänge mit dem Image des Berufs zusammen, meint Gruß.
Für Grünen-Familienpolitikerin Ekin Deligöz ist es vor allem ein gesellschaftliches Problem. "Wenn man die Bezahlung in solchen Frauenberufen verbessert, werden sie auch für Männer attraktiver", ist Deligöz überzeugt. Verantwortlich für die Probleme einiger Jungs sei vor allem die Schulstruktur.
"Mehr echte Ganztagsschulen könnten insbesondere Jungen zugutekommen", meint Deligöz. Denn neben den Unterrichtsstunden gibt es dort auch Zeit zum Toben und Spielen. Auf beiden Feldern fühlt sich der Bund jedoch nicht mehr zuständig. Der Etat für die Jungenpolitik beträgt demzufolge: 0 Euro.
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