Schwarz-Grün: Harter Hund muss Kreide fressen
Ole von Beusts Möchtegern-Nachfolger Christoph Ahlhaus muss den politischen Spagat üben. Er muss die jetzt wieder erstarkenden konservativen Kräfte in seiner Partei befrieden und zugleich den grünen Koalitionspartner mit liberalen Wurzeln locken.
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Christoph Ahlhaus ist nicht zu beneiden. Nicht wegen der "großen Fußstapfen", die Ole von Beust mit seinem Ausscheiden aus dem Amt des Hamburger Ersten Bürgermeisters hinterlasse, wie sein Möchtegern-Nachfolger am Sonntagabend im Rathaus in - gespielter? - Demut zu berichten weiß. Sondern wegen der Aufgabe, die nun vor ihm liegt: Ahlhaus muss für seinen eigenen Erfolg den politischen Spagat zwischen konservativem CDU-Flügel und grünem Koalitionspartner schaffen. Das könnte zum Dilemma werden.
Mit urgrünen Themen wie Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit hat der 40-Jährige bisher nicht viel zu tun gehabt, ganz zu schweigen von häufig strittigen Fragen wie der Ausländerpolitik, dem Umgang mit als extremistisch eingeschätzten Gruppen oder einer Anti-Diskriminierungspolitik gegenüber jedweden Minderheiten.
Dem Innensenator haftet nach wie vor das Etikett des harten Hundes an. Für dieses Amt scheint das unerlässlich zu sein, für das des Regierungschefs allerdings nicht. Mehrfach gleich versicherte CDU-Parteichef Frank Schira am Montag im Rathaus, dass Ahlhaus "auch liberale Wurzeln" habe. Diese müsste er für eine gedeihliche Zusammenarbeit mit der GAL dann mal sichtbar machen.
Zwei formale Wege zu einer neuen Regierung sind denkbar:
Mehrheit für Christoph Ahlhaus: Er wird am 25. August von der Mehrheit der Bürgerschaft (mindestens 61 von 121 Abgeordneten) gewählt, danach wird sein Senat bestätigt. Die Koalition hat 68 Sitze, SPD und Linke 53.
Keine Mehrheit für Ahlhaus: Dann bleibt der Senat geschäftsführend im Amt. Die Bürgerschaft kann einen anderen Kandidaten wählen oder zwei Wochen später das vorzeitige Ende der Wahlperiode beschließen. Dann folgen innerhalb von zehn Wochen - Anfang November - Neuwahlen.
Ahlhaus verkörpert den konservativen Flügel seiner Partei, dem das ganze grüne Getue nie ganz geheuer war und nach dem verlorenen Volksentscheid auch nicht mehr wird. Viele von denen, die zwei Jahre lang öffentlich stillhielten, werden sich nun wieder im Aufwind wähnen. Und wer als politischer Beobachter mehrfach auf CDU-Parteitagen - zuletzt noch am 1. März, als der Rücktritt von Parteichef und Finanzsenator Michael Freytag die Dynamik auslöste, die nun zur Demission von Beusts führt - den schulpolitischen Beiträgen der Ü80-Fraktion lauschen durfte, wähnte sich in die Ära Adenauers, wenn nicht in die des Kaisers zurückversetzt.
Dieser Strukturkonservatismus in der CDU wird künftig auch auf andere Themen verstärkt auszustrahlen versuchen: Eliteförderung, Automobilität, Familienpolitik nach Art von Bundesministerin Kristina Köhler, Vorrang der Ökonomie vor der Ökologie, härtere Hände in der Innen- und kältere Herzen in der Sozialpolitik. Allesamt können sie zu schwarz-grünen Sollbruchstellen werden.
Dennoch kann die Zukunft der Hamburger Union nicht am rechten Rand liegen. Gerade die Oberschicht und obere Mittelschicht ist es gewesen, die beim Volksentscheid über die Schulreform der Partei die Gefolgschaft verweigert hat. Es gilt, dieses christdemokratische Großbürgertum wieder zu gewinnen, das den Reit- und Geigenunterricht für die eigenen Kinder über die gesellschaftliche Teilhabe derer stellt, die durch Schul-, Sozial-, Ausbildungs- und Integrationspolitik davon abgehalten werden sollten, eben jene zu beklauen oder zu verprügeln.
Aber natürlich weiß auch Ahlhaus, der 2004 als Landesgeschäftsführer der CDU den Wahlkampf, der Ole von Beust die absolute Mehrheit bescherte managte, dass es in Hamburg, so von Beust, "eine strukturelle linke Mehrheit gibt". Sie gibt es rein rechnerisch auch aktuell mit SPD, Linken und Grünen in der Bürgerschaft, und deshalb hat der bisherige Bürgermeister während der gesamten zweieinhalb schwarz-grünen Jahre seiner Partei immer wieder eingebleut, man müsse "die davon abhalten, von dieser Mehrheit Gebrauch zu machen".
Es war das strategische Anliegen von Beusts, der CDU durch die Öffnung zu den Grünen eine - neben der großen Koalition mit der SPD und einem schwarz-gelben Bündnis mit der FDP - weitere Regierungsoption zu öffnen. Diese zu erhalten, muss und wird auch das strategische Leitmotiv für Parteichef Schira und Bürgermeister-Kandidat Ahlhaus sein.
Und so sind es in der aktuellen Situation die Grünen, die über den Fortbestand der Koalition entscheiden. Wenn die CDU ihnen reiche Geschenke bietet, machen sie weiter. Wenn nicht, können sie aussteigen.
Wirklich zu beneiden ist Ahlhaus nicht. Aber da, wo er nun ist, wollte er ja unbedingt hin. Jetzt hat er das Dilemma.
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