Schwächeres Wachstum der Biobranche: Keine Möhren im Regal
Die Wachstumsraten von frischen Ökolebensmitteln liegen nur noch bei 3,9 Prozent. Als Gründe machen Marktforscher Lieferprobleme und eine getrübte Konsumstimmung aus.
BERLIN taz Das Wachstum in der Biobranche schwächt sich ab. Zwar gaben die Verbraucher in Deutschland im 1. Halbjahr 2008 für frische Ökolebensmittel noch 3,9 Prozent mehr aus als im Vorjahreszeitraum, damals aber waren die Ausgaben in konventionellen und Fachgeschäften im Jahresvergleich um rund 20 Prozent gewachsen.
Besser sieht es bei verarbeiteten Produkten wie Müsli im herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandel aus: Der Umsatz wuchs um rund ein Drittel. Doch auch hier verlangsamte sich das Wachstum, denn vor einem Jahr hatte das Plus noch 45 Prozent betragen. Die aktuellen Zahlen stammen von der Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Agrarprodukte (ZMP), die sich ihrerseits auf das Forschungsinstitut Nielsen und die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) beruft.
Als Gründe nannte der Leiter der ZMP-Marktforschung, Paul Michels, unter anderem Angebotsengpässe bei Frischware. "Zeitweise fehlten beispielsweise Möhren, Zwiebeln und Kartoffeln in den Regalen einiger konventioneller Ketten", sagte der Experte. Aber auch die höheren Preise für Nahrungsmittel, Kraftstoff und Energie machten sich bemerkbar. "Sporadische Biokunden haben auch mal einen Bioeinkauf weggelassen, den sie sich vor einem Jahr noch in besserer Konsumstimmung gegönnt haben", erklärte Michels.
Zudem gibt es laut ZMP weniger Markteinführungen neuer Bioprodukte, die meist automatisch ein Umsatzplus bringen. Schließlich bieten schon sehr viele Ketten und Hersteller solche Waren an. Da bleibt weniger Raum für Innovationen.
Ein Biofachmann, der nicht namentlich genannt werden wollte, wies auch auf die Schwierigkeiten bei der Biosupermarktkette Basic hin. Die hatte bislang stets neue Filialen eröffnet, seit dem geplatzten Einstieg des Discounters Lidl ist mit der Expansion erst einmal Schluss.
Branchenvertreter gaben sich aber keinesfalls beunruhigt, weil das Umsatzwachstum zurückgeht. "Angesichts eines knappen Angebotes an Biowaren konnte nicht mit einem anhaltenden Wachstum von 15 bis 18 Prozent gerechnet werden", sagte Alexander Gerber, Geschäftsführer des Spitzenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Die größte Ökobauernorganisation Bioland bewertete die Zahlen als durchaus positiv. "Bio wächst gegen den Trend", erklärte Sprecher Gerald Wehde. Die Zuwächse bei Ökolebensmitteln seien immer noch größer als bei konventionellen.
Beide Verbändevertreter nutzten die Daten, um alte Forderungen zu erneuern. Zum Beispiel Gerber: "Wir brauchen mehr Landwirte, die Bio produzieren." Wehde verlangte deshalb, die Subventionen für Biobauern zu erhöhen. Der BÖLW gab auch eine Empfehlung an seine eigenen Leute: "Wir müssen kommunizieren, dass Bio nicht gleich hochpreisig ist." Oft lägen die Kosten für Ökoprodukte im Mittelfeld der Spanne zwischen billigen und teuren konventionellen Waren. JOST MAURIN
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