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Schutz vor Ernteausfälle in KeniaSaatversicherung per SMS

Kenia wird zum Vorreiter bei Versicherungen für Saatgut und Vieh. Das ist auch für jene erschwinglich, die weniger als einen Euro pro Tag haben. Die Technologie macht es möglich.

Noch mit Eselskarre, aber schon mit Handy: kenianischer Reisbauer. Bild: rtr

NAIROBI taz | "Ich habe Versicherungen nie vertraut. Ich dachte, es ist ein Trick. Aber jetzt weiß ich, dass es kein Betrug ist", sagt Rose Wanjiru. Die Bäuerin inspiziert die Maisstengel auf ihrem Acker bei Nanyuki, einem Ort am Fuß des Mount Kenya. "Dieser Mais ist bezahlt mit Geld von meiner Versicherung. Sie zahlte voriges Jahr, als die Pflanzen unter der Dürre litten."

Beinahe die Hälfte der Kenianer lebt unter der Armutsgrenze von einen Euro pro Tag und kann sich keine Versicherung leisten. Aber seit 2009 haben Einkommensschwache erstmals die Möglichkeit, die Aussaat und ihr Vieh gegen Naturkatastrophen zu versichern. Die Versicherung "Changamka" bietet sogar eine Police für Hausarztbesuche, medizinische Tests und Medikamente an. Die meisten Kleinbauern ernten kaum genug, um sich selbst zu ernähren. Nach den Dürren der beiden letzten Jahren waren viele auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Aber dieses Jahr hat es genügend geregnet. "Zum ersten Mal seit 2008," freut sich Bäuerin Wanjiru. "Im nächsten halben Jahr leiden wir zu Hause keinen Hunger."

Kilimo salama (Swahili für sichere Landwirtschaft) versichert Pflanzen gegen Dürre und Überschwemmung. Dabei kooperiert die Versicherungsgesellschaft UAP mit der Syngenta-Stiftung für nachhaltige Landwirtschaft und dem Telekommunikationsunternehmen Safaricom. Bauern zahlen zwanzig Eurocent Aufschlag für zwei Kilo Maissaat. Dasselbe gilt für Kunstdünger.

Abgeschlossen werden die Versicherungen per Handy. Die Verkäufer des versicherten Saatgutes schicken eine SMS mit den Kundendaten an UAP. Innerhalb von Sekunden empfängt der Kunde eine Bestätigung und weitere Informationen. Im Geschäft wird zusätzlich zur Sicherheit noch eine Police auf Papier ausgeschrieben.

Lucy Muruiki, Eigentümerin eines Geschäfts für Landwirtschaftsprodukte in Nanyuki, erklärt: "Voriges Jahr war es schwierig, meine Kunden von den Vorteilen der Versicherung zu überzeugen. Aber seit sie gesehen haben, wie Nachbarn, die sich versichert hatten, wegen der Dürre Geld erhielten, verkaufe ich viele versicherte Produkte. Die Zahl meiner Kunden hat sich verdoppelt."

Mit der Saatversicherung ist Kenia weltweit Vorreiter. "Wichtig ist, dass beinahe jeder Kenianer ein Handy besitzt, und viele Wetterdaten über die vergangenen Jahrzehnten zu Verfügung stehen", erklärt Rose Goslinga, niederländische Ökonomin bei der Syngenta-Stiftung. Anhand der täglichen Messungen der 30 Wetterstationen in Kenia wird entschieden, wann ausgezahlt werden muss. "Früher mussten Versicherungen die Bauern besuchen, um zu sehen, ob es wirklich Schäden gab. Das ist dank der Technologie nicht mehr nötig. Dadurch werden Versicherungen für Einkommensschwache möglich."

Syngenta ist ein Schweizer Konzern, der genetisch manipuliertes Saatgut produziert, aber die Stiftung arbeitet in Kenia nur mit hybrider Saat. Hier sind bisher nur Versuche mit genmanipulierten Produkten zugelassen.

Kenia ist auch das erste Land der Welt, wo das Handy die persönliche Bank ersetzen kann. Mit dem M-Pesa-Zahlungssystem von Safaricom kann man mit dem Handy Überweisungen tätigen und Geld empfangen. UAP zahlt über M-Pesa aus. Die Versicherungsgesellschaft benutzt dasselbe Banksystem für ihre Versicherung für Vieh. Im trockenen Norden von Kenia erlitten in den letzten Jahren Millionen Nomaden große Schäden wegen Dürre. Viele Tiere starben, die meisten Hirtenvölker konnten nur durch Hilfe überleben. Seit kurzem versichert UAP Kühe, Kamele, Schafen und Ziegen für Kleinzüchter.

Auch dabei spielt Technologie eine Hauptrolle. UAP benutzt Satellitenbilder, um zu erfahren, ob Vieh verhungert. "Die Farbe der Vegetation deutet darauf hin, ob Tiere wahrscheinlich gestorben sind", erklärt Andrew Mude vom internationalen Rechercheinstitut ILRI, das geholfen hat, das System zu entwickeln. "Eine Überprüfung vor Ort ist nicht nötig. Das spart Geld, wodurch UAP eine billige Versicherung bieten kann." Die Police für zehn Kühe im Gesamtwert von 1.200 Euro kostet jährlich 39 Euro. Wenn die Satellitenbilder Dürre anzeigen, wird 10 Prozent des Werts ausgezahlt: 120 Euro.

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