Schule: Sommertheater für die Bildungselite
Die Bildungsminister der Union haben plötzlich Einheitsschulbücher und das Zentralabitur für sich entdeckt. Dahinter steckt ein klares Kalkül.
Wenn gleich drei Bildungsminister sich in den Sommerferien geräuschvoll zu Wort melden, ist Vorsicht geboten. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) plädiert für ein Einheitsschulbuch. Kurz darauf kommen die Südstaatler Siegfried Schneider (CSU) und Helmut Rau (CDU) mit einem Zentralabitur auf den Markt, das alle Abiturienten in Deutschland künftig zeitgleich ausschwitzen sollen. Zentral- oder Einheitsdingsbumse, ausgerechnet im Bildungssektor, der doch in 16 dezentral uneinheitliche Schrebergärtlein zerfällt? Was geht da vor sich?
Erst mal sind sowohl ein Einheitsschulbuch als auch ein Zentralabitur für ganz Alemannia komplett gaga. Wie sollen Länder, die sich seit fünf Jahren nicht auf gemeinsame Bildungsstandards einigen können, Einheitsschulbücher schaffen? Oder auch nur einen Termin für die gemeinsame Abiprüfung finden?
Außerdem wäre beides, Einheitsschulbuch wie Zentralabitur, bildungspolitisch unsinnig. Denn der Trend geht ja dahin, Lehrern künftig so viel Freiheit wie möglich zu geben, sich die in den Bildungsstandards enthaltenen Lernziele gemeinsam mit den Schülern anzueignen. Ein Einheitsschulbuch würde sie daran hindern und ein Zentralabi ihnen nichts nützen. Angesagt wäre etwas anderes: Wenn die Standards mal da sind, könnten endlich die 2.500 Lehrpläne abgeschafft werden, die es landauf, landab gibt - damit die Lehrer pädagogische Autonomie bekommen.
Aber was ist dann die Botschaft? Das Sommertheater war erstens ein Warmlaufen für die Ergebnisse des Pisa-Tests, die Anfang Dezember wieder über uns kommen. Da Annette Schavan fast zwei Jahre lang vollkommen von der Bühne verschwunden war, muss sie sich rechtzeitig wieder mal zu Wort melden - sonst hält man ihr bei dem zu erwartenden Pisa-Rummel womöglich kein Mikro vor die Nase.
Zweitens wollen die Unionisten die gefährliche Debatte über den Föderalismus auffangen. Es hat sich viel Unmut angesammelt gegen die Zersplitterung der Bildungslandschaft. Da halten sie nun dagegen. Schavan, indem sie mit sanfter Kritik an der Kleinstaaterei die Botschaft ausstrahlt: Wir haben verstanden. Und die beiden Separatisten aus dem Süden, indem sie auf die Pauke hauen: Messt ihr euch erst mal am Niveau unserer Abiturienten! Notfalls richten wir ein Unions-Abitur ein, zusammen mit Ländern wie Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Hessen, Saarland und Hamburg.
Und drittens ist das ein hübsches Ablenkungsmanöver. Die Nation soll vor Pisa über Schulbücher und das Abitur sprechen. Und sich nicht mehr den Kopf zerbrechen über das Problem, das dem Land der Dichter und Denker wirklich auf den Nägeln brennt: dass auch Pisa 2006 keine Entwarnung bringen wird für die rund 20 Prozent Risikoschüler und jene 10 Prozent, die auch diesmal wieder ohne Schulabschluss dastehen.
Was die Bildungskonservative damit wieder neu aufzäumen will, ist der ganz alte Gymnasialzinnober: Es soll öffentlich darüber gezankt werden, wie man den oberen (inzwischen) Hunderttausend der Bildungselite mit semiakademischen Inhalten Druck machen kann. Seit 120 Jahren geht das nun schon so. Und wieder denkt keiner an die Zehntausende ganz unten im Bildungskeller, die immer weniger Chancen haben aufzusteigen.
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