Schule in Hamburg: Bremsklotz fürs Turbo-Abi
Eltern starten eine Unterschriftensammlung für die Rückkehr zum Abitur in 9 Jahren. Die Bürgerschaftsparteien lehnen die Forderung ab.
HAMBURG taz | Die Elterninitiative „G9-jetzt-HH“ macht Ernst. Am Mittwoch hat sie offiziell eine Volksinitiative für die neunjährige Schulzeit an Gymnasien angemeldet. Bis November muss die Gruppe nun 10.000 Unterschriften sammeln, um die nächste Stufe des Volksbegehrens zu erreichen. Schafft sie auch diese zweite Hürde und bekommt die erforderlichen 62.000 Unterschriften zusammen, könnte es Anfang 2015 parallel zur Bürgerschaftswahl eine Volksabstimmung geben. Das Ergebnis wäre dann verbindlich.
Initiatorin Mareile Kirsch sagte, Hamburgs Eltern hätten zehn Jahre unter dem Zwang zum Turbo-Abitur gelitten. Deswegen wolle sie jetzt keinen neuen Zwang einführen, sondern den Eltern die Wahl zwischen acht (G8) und neun (G9) Jahren bis zum Abitur ermöglichen. In Schleswig-Holstein gibt es schon einige Schulen, an denen die Eltern wählen können. Auch sollen Schüler, die sich im G8 befinden, ins G9 zu wechseln können.
„Mir hat nie jemand sagen können, wofür G8 eigentlich gut ist“, sagte Mit-Initiator Ulf Ohms. Die Abiturienten müssten sich jetzt mit 17 Jahren für ein Studium entscheiden und hätten noch gar nicht die Reife dafür, erklärte der Vater bereits am Dienstagabend bei einer Auftaktveranstaltung in der Brechtschule. Er hatte bereits für die Anti-Primarschulinitiative „Wir wollen lernen“ (WWL) Unterschriften gesammelt und führte vor, wie man dafür mit einem Papp-Sandwich werben könne.
Die Initiative hat „9 gute Gründe für G9“ aufgelistet. Neben „kindgerechten Unterrichtszeiten“, „Zeit für Vertiefung“ und „mehr Familienleben“ geht es auch um „Renaissance des Bewährten“. Seien doch Bücher, Bildungspläne und Gebäude aus G9-Zeiten noch vorhanden. Die von hohem Medieninteresse begleitete Veranstaltung am Mittwochabend war mit rund 60 Personen nicht so stark besucht wie die Gründungsveranstaltung von WWL vor fünf Jahren. Doch die Initiatoren können auf Netzwerk und Erfahrung der Initiative zurückgreifen. Kirsch sagte, es gebe in der Gruppe auch ehemalige Primarschulbefürworter.
Die neue Initiative ist sehr umstritten, weil es in Hamburg an den Stadtteilschulen bereits die Möglichkeit gibt, das Abitur in neun Jahren zu machen. Auch ist die Bilanz des G8 nicht nur negativ, machten doch unter den Bedingungen der verdichteten Schulzeit etwa ein Drittel Schüler mehr das Abitur. Alle Bürgerschaftsparteien lehnen die G9-Rückkehr deshalb ab. Schulsenator Ties Rabe (SPD) warnt zudem vor erheblichen organisatorischen Problemen und mahnt, die Schulen müssten zur Ruhe kommen. „Ich sehe den Schulfrieden in Gefahr“, sagte Rabe.
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