Schuldspruch für Michail Chodorkowski: Eine juristische Farce
Ex-Ölmagnat Michail Chodorkowski, Moskaus bekanntester Häftling, ist wieder schuldig gesprochen worden. Das Urteil lässt wenig an der politischen Motivation zweifeln.
BERLIN taz | Russlands prominentestem Gefangenen Michail Chodorkowski dürften weitere Jahre in Haft bevorstehen. Am Montag sprach ein Moskauer Gericht den Ex-Ölmagnaten und früheren Chef des Ölkonzerns Jukos sowie seinen ebenfalls inhaftierten Geschäftspartner Platon Lebedew in einem zweiten Prozess wegen Unterschlagung fremden Eigentums und Geldwäsche für schuldig.
Beiden war vorgeworfen worden, zwischen 1998 und 2003 218 Millionen Tonnen Öl im Wert von 27 Milliarden Dollar abgezweigt und illegal weiterverkauft zu haben.
"Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Chodorkowski und Lebedew fremdes Eigentum gestohlen haben, indem sie als organisierte Gruppe in Absprache und unter Missbrauch ihrer Position handelten", sagte der Vorsitzende Richter Danilkin zum Auftakt der Urteilsverkündung.
Kurz darauf fanden sich sämtliche Pressevertreter vor verschlossenen Türen des Gerichtssaales wieder. Gründe für den Ausschluss der Journalisten von dem Prozess wurden nicht genannt.
Michail Chodorkowski wurde 1963 in Moskau geboren und hat Chemie und Volkswirtschaft studiert. 1988 gründete er die Menatep-Bank. Unter Präsident Boris Jelzin stieg er 1993 zum stellvertretenden Minister für Brennstoffe und Energie auf. 1995 erwirbt Chodorkowski über die Menatep-Bank die Aktienmehrheit am zweitgrößten russischen Ölkonzern Jukos. 1997 wird Chodorkowski dessen Vorstandsvorsitzender. Am 25. Oktober 2003 wird er wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verhaftet und 2005 zu acht Jahren Haft verurteilt. Jukos wird zerschlagen.
Platon Lebedew wurde 1955 in Moskau geboren, hat Volkswirtschaft studiert, war von 1991 bis 95 Chef der Menatep-Bank. Ab 1996 war er Vizechef von Jukos. Bereits am 2. Juli 2003, knapp vier Monate vor Michail Chodorkowski, wird Lebedew verhaftet und 2005 gemeinsam mit Chodorkowski zu acht Jahren Haft verurteilt.
Das Strafmaß folgt noch
Die beiden Angeklagten, die in einem Käfig aus Glas und Stahl saßen, nahmen den Schuldspruch mit Desinteresse zur Kenntnis. Während Lebedew ein Buch las, blätterte Chodorkowski in Dokumenten.
Das Strafmaß wurde am Montag noch nicht bekannt gegeben, ein Termin dafür steht nicht fest. Folgt das Gericht jedoch dem Antrag der Staatsanwaltschaft, so würden die beiden Verurteilten erst 2017 entlassen werden.
Bereits vor dem Beginn der Verhandlung hatten sich vor dem Gerichtsgebäude hunderte von Chodorkowski-Anhängern versammelt. Auf Plakaten forderten sie "Freiheit", Russland ohne Putin" und skandierten "Schande, Schande!"
Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge wurden mindesten 20 von ihnen festgenommen und in Polizeiwagen abtransportiert.
Beobachter hatten eine erneute Verurteilung von Chodorkowski und Lebedew, die bereits 2005 wegen Betruges und Steuerhinterziehung verurteilt wurden und seit sieben Jahren im Gefängnis sitzen, erwartet. Denn was Rechtsstaat in Russland bedeutet, hatte Regierungschef Wladimir Putin unlängst deutlich gemacht, als er im Fernsehen auf Fragen seiner Untertanen antwortete.
"Wie der berühmte Sänger Wladimir Wyssozki denke ich, dass ein Dieb im Gefängnis sitzen muss." Und: "Wir müssen davon ausgehen, dass die Verbrechen Chodorkowskis durch das Gericht bewiesen sind", bemerkte der Premier. Demgegenüber hatte sich Russlands Präsident Dmitri Medwedjew, der erklärtermaßen den russischen Rechtsstaat stärken und das Strafrechtssystem reformieren will, zurückgehalten.
Weder der Präsident noch eine andere Person im Staatsdienst habe das Recht, ihre Position zu dem Fall Chodorkowski oder einem anderen Verfahren vor der Urteilsverkündung zu äußern, sagte der Staatschef in der vergangenen Woche.
Wadim Kljuwgant, einer der Verteidiger Chodorkowskis, bezeichnet den Prozess als "juristische Farce". Die Verurteilung nach einem Schauprozess von 22 Monaten Dauer bestätige doch nur die rigorose Unterordnung des Justizwesens unter die Politik der russischen Administration sowie die Praxis der Straffreiheit für korrupte Beamte, die Chodorkowski immer noch als Bedrohung ansehen.
Sein Mitstreiter Juri Schmidt sagte dem Sender Kommersant FM, das Urteil habe schon vor der Aufnahme der Ermittlungen festgestanden. Beide kündigten an, in Berufung gehen zu wollen - notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
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