Schuldenkrise in der Eurozone: Bankenaufsicht schlägt Alarm
In einem Brandbrief setzt sich der Chef der Europäischen Bankenaufsicht für direkte staatliche Kapitalspritzen an Banken ein. Deutsche stemmen sich dagegen.
BRÜSSEL taz | Wieder ist Aufregung in das europäische Krisenmanagement geraten: Die EU-Bankenaufsicht EBA fordert nach Informationen der Financial Times Deutschland weitere Geldspritzen für klamme Banken in den EU-Ländern.
Ihr Chef, Andrea Enria, befürchtet, dass die Geldinstitute zu knapp mit Kapital ausgestattet sind - vor allem in diesen Krisenzeiten. Er fordert deshalb in einem Brandbrief an die EU-Länder, dass der über 725 Milliarden schwere EU-Rettungsschirm EFSF direkt Geld an Banken geben darf - ohne wie bisher den Umweg über die nationalen Regierungen gehen zu müssen.
Prompt kam Kritik aus Berlin: Alles soll so bleiben, wie es ist, tönte es aus Regierungskreisen. Enria lehne sich zu weit aus dem Fenster. In Brüssel sehen das viele anders. Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold kann die Kritik am obersten Bankenaufseher nicht verstehen: "Die Politiker sollten die Probleme lösen und nicht die beschimpfen, die sich trauen, darüber zu sprechen", sagte der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. Der Vorstoß Enrias zeige lediglich, dass das bisherige Krisenmanagement von Merkel, Sarkozy und Co. nicht funktioniert habe. "Jetzt brauchen wir wieder einen Feuerlöscher."
Eigenkapital zu knapp bemessen
Für Giegold steht außer Frage, dass das Eigenkapital der europäischen Banken zu knapp bemessen ist. Schließlich wollten sich die Banken untereinander zurzeit kein Geld mehr leihen. Das sei, so Giegold, der beste Indikator für wackelige Finanzen: "Für die Geldinstitute ist es lukrativer, sich gegenseitig Geld zu leihen, als es der EZB zu geben. Wenn sie das nicht mehr machen, heißt das, dass sie sich gegenseitig nicht mehr vertrauen."
Auch das Ergebnis des Stresstests, bei dem im Sommer nur 8 von 91 geprüften europäischen Banken durchgefallen waren, widerspricht dieser Einschätzung nicht, meint Giegold: "Die Zahlen wurden schöngerechnet. Staatsanleihen zum Beispiel, die ja zurzeit ein großes Risiko darstellen, wurden bei der Bewertung gar nicht berücksichtigt. Das verfälscht natürlich die Daten."
Die deutsche Bankenaufsicht Bafin ging auf Konfrontationskurs zur Europäischen Aufsichtsbehörde EBA. Ein Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sagte am Dienstag, die Behörde habe sich dagegen ausgesprochen, dass die EBA einen Brief an den Rat der Europäischen Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) schreibt. Dies sei nicht Aufgabe der EBA.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut