Schuldenkrise in Europa: Profilneurosen bei Schwarz-Gelb
Niemals Eurobonds, keine Transferunion: Die CSU zeigt Merkel "Stoppschilder" in der Krise, will aber für die Ausweitung des Rettungsschirms stimmen.
BERLIN taz | Kanzlerin Angela Merkel wird die doppelte Botschaft aus Bayern wohl zu lesen wissen. Einerseits sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Montagnachmittag, er gehe davon aus, dass die CSU den Kurs der Regierung "sehr zustimmend unterstützen" werde. Das Präsidium seiner Partei hatte sich gerade ausführlich mit der Schuldenkrise in Europa beschäftigt. Und Seehofer schränkte seine Solidaritätsbekundung deutlich ein. Eine solide Stabilitätskultur in der europäischen Finanzpolitik sei wichtig - und die CSU werde ein "Wächteramt" wahrnehmen.
Nachdem bisher vor allem in FDP und CDU die Befürchtung laut wurde, die EU drifte unkontrolliert in eine Haftungsgemeinschaft, hat jetzt die dritte Koalitionspartei ihre Position klar gemacht. Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber, der auch im Präsidium sitzt, sagte nach der Sitzung: "Die zentrale Botschaft ist, dass die CSU sich klar als europäische Partei bekennt. Wir tragen die Kanzlerinnenmehrheit im September mit." Dann wird der Bundestag über eine Ausweitung des Rettungsschirms entscheiden. Die CSU sei für Solidarität in Europa, sagte Weber weiter: "Aber eins ist wichtig: Wer Hilfe will, muss sich erst einmal selbst anstrengen."
Das Präsidium besprach ein Papier von Generalsekretär Alexander Dobrindt und Reinhold Bocklet, dem Vizepräsidenten des bayerischen Landtags, das der taz vorliegt. Es listet eine Reihe von Maßnahmen auf, die mit der CSU keinesfalls zu machen sind - man stelle "Stoppschilder" auf, nennt Dobrindt das. So fordert die CSU etwa die Regierung dazu auf, ihr Veto beim Management des Rettungsschirms so einzusetzen, "dass es nicht am Ende zu den von anderen Mitgliedstaaten gewünschten Eurobonds, zu einem Europäischen Währungsfonds und/oder zu einer dauerhaften Transferunion kommt". Außerdem lehne man einen europäischen Finanzminister "entschieden ab".
All dies dient eher der Profilierung der Bayern. Die CSU weiß um die Europaskepsis der Bevölkerung in der Krise, und sie weiß auch, dass diese Positionen in der Koalition keineswegs strittig sind. Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) meiden den Begriff "Transferunion" wie der Teufel das Weihwasser, auch Eurobonds halten sie in der akuten Krise für den falschen Weg, und von einem europäischen Finanzminister war nie die Rede. Nach Medienberichten über das Papier stellte dies der Regierungssprecher gestern erneut klar. Die CSU bewegt sich also im Moment hundertprozentig auf Merkels Linie. Ein bisschen zur Schau gestellte Kantigkeit, so das Motto, schadet aber nicht.
Verlassen der Eurozone
Dennoch ist das Papier eine Drohgeste in Richtung Merkel, zumal sich auch brisante Sätze finden. Die CSU fordert etwa die Möglichkeit von Insolvenzverfahren für Staaten und Banken. Und: "Ist ein Mitgliedstaat nicht gewillt, die Konvergenzkriterien dauerhaft zu erfüllen, muss die Möglichkeit bestehen, die Eurozone zu verlassen."
Im Klartext: Griechenland müsste raus aus dem Euro. Ein solches Szenario gilt vielen Experten faktisch als das Ende des Euro, weil andere Staaten folgen könnten. Auch für Merkel - und führende Koalitionspolitiker - ist es ein Tabu. Ihr Spielraum bei der Krisenbewältigung wird durch die Ausschlussliste ihrer Partner in Zukunft eingeengt. Schon die FDP-Spitze um Parteichef Philipp Rösler hatte etwa Eurobonds zum Tabu erklärt. Merkel wie Schäuble schließen sie zwar im Moment aus - aber keineswegs mehr grundsätzlich.
In der Union geht unterdessen der Streit über den richtigen Weg in der Schuldenkrise munter weiter. So rief der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, die Unionsabgeordneten offen zur Ablehnung des Gesetzespakets im September auf. Merkel habe mit ihren Zusagen auf dem Euro-Sondergipfel Ende Juli gegen Vorgaben der FDP- und Unions-Fraktionen verstoßen, sagt er.
Einzelne Abgeordnete der Koalition haben bereits angekündigt, gegen das Paket zu votieren. Andere machen ihr Ja von Zugeständnissen abhängig. Doch dass tatsächlich Merkels Kanzlerinmehrheit wackelt, ist unwahrscheinlich. Auch bei der heftigen Diskussion vor dem Atomausstieg war das Stimmungsbild in der Unionsfraktion anfangs sehr gespalten. Am Ende stimmten die meisten Abgeordneten dafür.
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