Schüler*innen gegen Neutralitätsgesetz: Moratorium gefordert
Damit sie ihre Lehrerin mit Kopftuch zurückbekommen, haben Grundschüler*innen aus Kreuzberg eine Petition gestartet.
Berlin taz | Die Schüler*innen der Klasse 456 O der Nürtingen-Grundschule in Kreuzberg wollen, dass ihre Kopftuch tragende Lehrerin an ihre Schule zurückkehren kann, und haben daher eine Petition bei Change.org gestartet. Darin fordern sie ein teilweises Moratorium des Neutralitätsgesetzes bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. „Für uns Kinder der 456 O geht von religiösen Symbolen keine automatische Gefahr und Beeinflussung aus. Wir können schon sehr gut selbst entscheiden und fordern auch hier bei Entscheidungen eine Teilhabe der Schüler_innenschaft ein“, heißt es in der am Freitag vom Schulsozialhelfer Ansgar Kind eingerichteten Petition, die am Montagvormittag bereits 500 Mitzeichner*innen hatte.
Im Februar hatten sich die 4.- bis 6.-Klässler an die taz gewandt. Ihre beliebte Referendarin hatte nach ihrem Examen die Schule verlassen müssen, da sie als Lehrerin laut Neutralitätsgesetz nicht mit islamischem Kopftuch unterrichten darf. Das bundesweit einmalige Gesetz verbietet Polizist*innen, Justizmitarbeitenden und Lehrer*innen an öffentlichen Schulen mit Ausnahme von Berufsschulen das Tragen religiöser Symbole und Kleidungsstücke. Lehrerinnen mit Kopftuch haben wiederholt dagegen geklagt und Entschädigungen wegen Diskriminierung erstritten.
Zuletzt gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) im August 2020 in dritter Instanz einer Klägerin recht. Die SPD-geführte Bildungsverwaltung zog daraufhin vor das Bundesverfassungsgericht, um prüfen zu lassen, ob das BAG überhaupt zuständig ist. Die SPD möchte das Gesetz gerne behalten, Grüne und Linke wollen es abschaffen.
„Verstärkt negative Vorurteile“
„Die Neutralität im öffentlichen Dienst festzuschreiben, ist ein auch für uns verständliches Anliegen für den öffentlichen Dienst“, heißt es in der Petition. Mit der „pauschal diskriminierenden, abschreckenden Verbindung zu religiösen Symbolen“ bestehe jedoch die Gefahr, „dass bestimmte negative Vorurteile gegen bestimmte Bevölkerungsteile eher verstärkt denn bekämpft werden.“ Zudem gebe es das höchstrichterliche Urteil des BAG, ein weiteres Aufschieben von dessen Umsetzung sei „ungerecht“: „Damit wird betroffenen Menschen wie unserer Referendarin weiterhin jede Chance auf den öffentlichen Dienst genommen, obwohl das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes eindeutig war.“
Bis zur Entscheidung in Karlsruhe solle das Gesetz – zumindest für Lehrer*innen – daher ausgesetzt werden, fordern die Schüler*innen.