: Schröder in der Kritik
KINDERSCHUTZ Liberale und Gesundheitsexperten bemängeln das neue Gesetz der Familienministerin
BERLIN taz | Am geplanten Kinderschutzgesetz, das Familienministerin Kristina Schröder (CDU) vor wenigen Tagen vorgestellt hat, regt sich Kritik. „Der Ansatz der Familienhebammen greift zu kurz“, sagte Andrea Weskamm vom Deutschen Bundesverband für Pflegeberufe (DBfK). Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Familienhebammen bis zu ein Jahr lang Problemfamilien betreuen. „Familienhebammen können schnell überfordert sein“, sagt die Leiterin des DBfK-Kompetenzzentrums Familiengesundheitspflege, die selbst Hebamme ist.
Viele Hebammen erlitten schon nach kurzer Zeit in Problemfamilien Burn-outs, sagte Weskamm. Daher wollen auch kaum Geburtshelferinnen als Familienhebammen arbeiten. Der DBfK bildet seit einigen Jahren sogenannte Familiengesundheitspflegerinnen aus: Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern und Hebammen, die auch die Sozialgesetze kennen und wissen, wo es welche Beratungsstellen gibt. „Familiengesundheitspfleger sind Helfer und Lotsen“, erklärte Weskamm.
Nachbesserungsbedarf am Kinderschutzgesetz, das nach Schröders Plänen 2012 in Kraft treten soll, sieht auch Miriam Gruß, familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag. „Es kommt mir so vor, als sei der Entwurf übereilt formuliert und präsentiert worden“, sagte Gruß. Sie forderte, die Jugendämter finanziell und personell besser auszustatten, wenn durch das Gesetz das sogenannte Jugendamt-Hopping eingeschränkt werden solle. „Jugendamt-Hopping“ bedeutet, dass Problemfamilien öfter umziehen und sich dadurch „dem Jugendamt entziehen“, wie eine Mitarbeiterin des Berliner Jugendamtes Friedrichshain-Kreuzberg erklärte: „Manche ziehen bis zu 15-mal um.“
Es geht nicht ohne zusätzliche finanzielle Mittel, meint auch Petra Kodré, Pressesprecherin des Gesundheitssenats in Bremen. Die Behörden in der Hansestadt waren 2006 stark in die Kritik geraten, weil sie im „Fall Kevin“ versagt hatten. Damals war der zweijährige Kevin tot in einer Kühltruhe aufgefunden worden. Vorher wurde er von seinen Eltern schwer misshandelt. Die Behörden wussten davon, unternahmen aber nichts, um den Jungen aus der Familie zu holen. Nach dem Bekanntwerden des Falls gibt es in Bremen Familienhebammen als „Regelangebot“.
Kritik am Schröder-Gesetz kommt auch von Erwin Lotter, FDP-Gesundheitsexperte im Bundestag. Lotter bezeichnete Schröders Vorschlag, die ärztliche Schweigepflicht zu lockern, als „Auswuchs naiven Übereifers“: „Hier liegt ein typisches Symptom von gut gemeint, aber schlecht gedacht vor“, sagte Lotter. Er glaubt, dass Eltern, die ihre Kinder misshandeln, nicht mehr zum Arzt gehen, wenn sie danach sofort beim Jugendamt angezeigt werden. Lotter schlägt stattdessen „Elternführerscheinkurse“ vor. SIMONE SCHMOLLACK