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Schriftzug in Auschwitz gestohlen"Scheußliche Tat"

Der Schriftzug "Arbeit macht frei" am Eingangstor des früheren NS-Konzentrationslagers Auschwitz I in Polen ist gestohlen worden. Polnische und israelische Politiker haben die Tat verurteilt.

Der Eingang in das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz I. Bild: dpa

WARSCHAU/JERUSALEM afp | Unbekannte entwendeten den aus Eisen geformten Schriftzug am frühen Freitagmorgen, wie der Sprecher der Gedenkstätte, Jaroslaw Mensfelt, mitteilte. Polnische und israelische Politiker zeigten sich geschockt.

Mensfelt sprach von einer "beschämenden" Tat. "Das ist eine Schändung des Ortes, an dem mehr als eine Million Menschen ermordet wurden", fügte Mensfelt hinzu. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben Ermittlungen mit Spürhunden auf. Der Diebstahl geschah demnach gegen 06.00 Uhr MEZ. An den Straßen von Auschwitz (Oswiecim) wurden Polizisten postiert, um große Autos zu kontrollieren. Der Schriftzug ist vier Meter lang. Es wurde eine Belohnung von 5000 Zloty (1200 Euro) für Informationen ausgesetzt, die zur Festnahme der Täter führen könnten.

Die Gedenkstätte Auschwitz ist nachts geschlossen und wird von Nachtwächtern bewacht. Die Polizei begann am Freitagmorgen, die Bänder der Überwachungskameras auszuwerten.

Vize-Außenminister Andrzej Kremer sagte der polnischen Nachrichtenagentur PAP, er sei schockiert, denn die Inschrift sei ein "Schlüsselsymbol für dieses Konzentrationslager". Der Sprecher des polnischen Senats, Bogdan Borusewicz, sagte dem Radiosender Jedynka, er hoffe, der Schriftzug werde bald gefunden und sei nicht beschädigt worden. Ex-Präsident Lech Walesa sagte dem Fernsehsender TVN24, es handele sich wohl eher nicht um eine politisch motivierte, sondern um eine kriminelle Tat.

Die israelische Regierung verurteilte den Diebstahl in scharfen Worten. Es handele sich um eine "scheußliche Tat", die auf eine "Entweihung" hinauslaufe, erklärte Vize-Regierungschef Silvan Schalom in Jerusalem. Durch eine solche Tat werde "der Hass und die Gewalt gegen Juden deutlich".

Der Direktor der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem, Avner Schalev, sagte in Jerusalem: "Diese Tat ist eine wirkliche Kriegserklärung." Über die Identität der Diebe sei zwar bislang noch nichts bekannt, er gehe jedoch davon aus, dass es sich um Neonazis handele. Die polnische Regierung tue sicherlich alles dafür, um die Täter zu fassen.

Der Schriftzug aus Eisen wurde von Gefangenen des Lagers auf Befehl der Nazis angefertigt. Er hing am Eingang des sogenannten Stammlagers "Auschwitz I". Gedenkstätten-Sprecher Mensfelt sagte, die Diebe hätten wohl genau gewusst, wie der Schriftzug zu entfernen sei. Dies sei zwar nicht besonders schwierig, "man muss aber wissen, wie es geht". Es handelt sich nach seinen Angaben um den ersten größeren Diebstahl in der Gedenkstätte.

Die Nationalsozialisten erbauten das Lager neun Monate nach dem Einmarsch in Polen 1939, um polnische Widerstandskämpfer zu inhaftieren. Später wurde das Lager um das drei Kilometer entfernte Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erweitert.

In Auschwitz-Birkenau wurden zwischen 1940 und 1945 etwa 1,1 Millionen Menschen, davon eine Million Juden, systematisch umgebracht. Die zynische Inschrift "Arbeit macht frei" versinnbildlicht die Menschen verachtendende Ideologie der Nazis. Das Lager wurde im Januar 1945 von der sowjetischen Armee befreit.

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9 Kommentare

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  • A
    addizzy

    @ Paul Haverkamp

     

    "Es gibt nie eine Kollektivschuld – es gibt jedoch stets eine Kollektivverantwortung!"

     

    Ihre moralapostolische These lehne ich im 'Abgang' entschieden ab und widersetze mich jedem Versuch der Einvernahme durch 'wen-auch-immer', u./o. für ein von anderen zu verantwortendes 'was-auch-immer'.

     

    Wie dieselben Menschen zweimal (letal) vergast werden könn-t-en, dürfte sich nur Ignoranten u./o. 'gestandenen' Reinkarnationsanhängern erschliessen?

  • D
    denninger

    Nazi Memorabilien stehen hoch im Kurs. Da ist ein rein krimineller Hintergrund der Tat wahrscheinlicher als ein politischer.

    Und "Lars", welche "Visionen" hast Du denn vom 13. Februar 2010? Etwa dass Nazis als Protest gegen den britischen und amerikanischen Luftangriff auf Dresden die Inschrift von Auschwitz mit sich führen?

    Sorry, aber das ist doch Schwachsinn.

    Die Redewendung "daß (sic!) es auch nur ein Opfer kalt lassen wird" ist schon etwas zynisch, nicht wahr?

  • PH
    Paul Haverkamp

    Ein schändliches Verbrechen!

     

    Wer immer auch die Täter dieses schändlichen Vorgehens gewesen sind – für mich bleibt unfassbar, dass 64 Jahre nach Befreiung von Auschwitz immer noch menschenverachtende Täter (die sich doch bewusst sein müssten, dass sie mit dieser Symbolentfernung auf ihre Art und Weise dazu beitragen, dass die sechs Millionen Juden erneut vergast und ihrer Menschwürde beraubt werden) glauben, sie könnten diesen einmaligen Kulturbruch der Menschheitsgeschichte in der Versenkung verschwinden lassen.

     

    Es ist leider wohl davon auszugehen, dass wir in vielen Staaten mit einem nicht belehrbaren, chauvinistischen Bevölkerungsteil leben müssen, der nicht zur Kenntnis nehmen will, dass Frieden zwischen den Menschen nur möglich ist, wenn wir uns zu unserer (aus deutscher Perspektive gewiss sehr schmerzhaften) Geschichte bekennen und alles daran setzen, dass sich in Zukunft etwas Derartiges nie wiederholen darf. Die wichtigsten Voraussetzungen für eine Nicht-Wiederholung sind Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Anerkennung der Menschenwürde für alle Menschen und Verurteilung von Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Gewaltanwendung. Es gibt nie eine Kollektivschuld – es gibt jedoch stets eine Kollektivverantwortung!

     

    Paul Haverkamp, Lingen

  • S
    sokrates

    Dieses Thema haengt mir zum Hals raus.Und dann

    schmeissen wir auch noch 60 Millionen Euro hinter-

    her.Irgendwann muss einmal Schluss sein.Dieses

    Thema wird noch unseren Kindeskindern usw usw an den Hals gehaengt.

  • A
    addizzy

    ... und was wäre, wenn sich dann herausstellte, dass die seit Jahren im polnischen Flüchtlingslager kasernierten, tschetschenischen Flüchtlinge den NS-Konzentrationslagers Auschwitz I Schriftzug infolge ihres von der polnischen Polizei unterbundenen Fluchtversuches zum Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg entwendet hätten, um auf ihre offenbar desaströse, ggf. äquivalent empfundene Behandlung in und durch Polen, sprich: EU-Mitglieder, aufmerksam zu machen?

    Eilen der israelische Vize-Regierungschef Silvan Schalom und der Präsident der Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem und der Rest der sich empörenden Welt dann Jenen zur Hilfe?

    Oder werden die tschetschenischen Flüchtlinge kurzerhand passend gemacht und zu kriminellen "Neonazis" umgemünzt?!

    Ich würde es sehr begrüssen, wenn derlei egozentrische Sprechtüten einmal ihre voreilige Klappe halten könnten, resp. die Presse entsprechend kritisch berichtete und distanziert kommentierte.

  • A
    addizzy

    Mir erschließt sich wirklich nicht, wieso bezüglich der derzeit völlig unbekannten TäterInnen und deren etwaigen Motiven der - zumindest (nur) in der taz publizierte - Standardreflex: "Neonazis"(!), gewesen sein soll; Derlei Täterkreis-Zuordnung wird mir in anderen Nachrichten-Medien so nicht ersichtlich.

    Auch vorgeblich vernommene, affektische Proklamationen wie: "Durch eine solche Tat werde "der Hass und die Gewalt gegen Juden deutlich".", sind zu diesem Zeitpunkt ebenso unhaltbar wie unproduktiv und Zeugen eher von fixierter Paranoia.

    Ebenso vorstelllbar wäre, dass aus einem tiefen Sentiment oder anderen Beweggründen heraus ehemals dort Inhaftierte, Opfer diesen Diebstahl in Auftrag gaben - Gründe hierzu wären viele denk- u. nachvollzieh-bar - zumal man, die TäterInnen, offenbar genau wussten, wie der schmiedeeiserne Schriftzug, den Auschwitz-Häftlinge anzufertigen und montieren hatten, zu entfernen sei.

    Und woher man selbigen Tages Ersatz hernimmt und montieren kann (cf. Wikipedia), wenn der nicht schon vorab angefertigt worden war, ist ebenso hinterfragenswert.

  • K
    Knut

    Zu diesem Diebstahl an sich kann man eigentlich gar nichts sagen, weil man nichts weiß. Im Artikel steht kein einziger Hinweis darauf, wer hinter dem Diebstahl steckt. Es wurde niemand gesehen und es gibt keine Verdächtigen. Trotzdem sind sich sofort alle einig: Es können eigentlich nur Neonazis gewesen sein. Ist doch klar.

    Wie kommt man zu dieser Annahme?

  • L
    Lars

    Das hat nichts mit Diebstahl in einem Museum zu tun. Dieser Ort ist DAS Symbol und DIE Gedenkstätte überhaupt für die Opfer eines der schlimmsten Verbrechen der Neuzeit. Diesem Ort sein wohl bekanntestes Merkmal zu rauben ist das Allerletzte und ich denke nicht, daß es auch nur ein Opfer kalt lassen wird.

     

    Allerdings habe ich die schlimme Befürchtung, daß der Schriftzug in näherer Zeit im Zusammehang mit den Taten irgendwelcher deutscher Faschisten auftauchen wird. Vielleicht schon am 13.02. in Dresden? Wer weiß...

     

    Kein Vergeben - Kein Vergessen

  • F
    Fawkrin

    Die Idee, es gäbe Denkverbote, das Lustigmachen über eine korrekte politische Sprache und das Unverständnis für historisches Unrecht und der Gedenkkultur gehören für mich zum Rüstgut der "Neuen" Rechten.

     

    Es ist ein gutes Recht über diesen Diebstahl empört zu sein.

    Ob sich Überlebende dieser Todesfabrik aufregen oder nicht, bleibt diesen Menschen selbst überlassen.