piwik no script img

Schriftsteller Josef Skvorecky gestorbenEingefleischter Anti-Ideologe

Der große Autor und Intellektuelle Josef Skvorecky ist tot. Eine Würdigung des Gründers des bedeutendsten tschechischen Exilverlags überhaupt: 68 Publishers.

Starb mit 87 Jahren in seiner Exilheimat Kanada: Josef Skvorecky. Bild: Imago/CTK Photo

Dass er zur Beerdigung von Vaclav Havel, dem er eng verbunden war, nicht kam, hatte in Tschechien bereits Besorgnis erregt. Aber der Weg von Toronto, wo er seinen Lebensmittelpunkt hatte, seit er Ende der sechziger Jahre aus der Tschechoslowakei emigrierte, wäre ohnehin recht weit gewesen.

Nun ist Josef Skvorecky am 3. Januar, nur zweieinhalb Wochen nach Havel, ebenfalls einer Krebserkrankung erlegen. Er wurde 87 Jahre alt. Und er starb in Kanada. Dass er auch nach der Samtenen Revolution in der neuen Heimat Kanada geblieben war, hatte sicher auch damit zu tun, dass er der alten ohnehin stets selbst eine Heimstatt bot.

Gemeinsam mit seiner Frau Zdena Salivarova, die den Verlag fortan leitet, hatte Josef Skvorecky 1971 in Toronto 68 Publishers gegründet. Was als Kleinverlag begann, sollte sich zum bedeutendsten tschechischen Exilverlag überhaupt entwickeln. Im Lauf der Jahre erschienen hier über zweihundert Bücher.

Aus der Tschechoslowakei herausgeschmuggelt auf Microfiche, später wieder hineingeschmuggelt als gedrucktes Buch, kam bei 68 Publishers alles heraus, was Rang und Namen hätte haben sollen, jedoch in der CSSR nach 1968 nicht mehr erscheinen durfte: Milan Kundera, Bohumil Hrabal, Ivan Klima, Jaroslav Seifert und auch der ebenfalls erst kürzlich, Ende Oktober, verstorbene Jiri Grusa.

Jiri Grusa, Vaclav Havel, und nun Josef Skvorecky - man könnte den Eindruck bekommen, eine ganze Generation tschechischer Intellektueller trete viel zu plötzlich ab. Doch Skvorecky, 1924 geboren, gehörte nicht zur Charta-77-Generation, sondern noch zu jener davor, die Krieg und deutsche Besatzung bereits als junge Erwachsene erlebten.

Anglophiler Jazz- und Krimifan

In den sechziger Jahren war Josef Skvorecky der meistgelesene Autor in der CSSR. Sein zur Zeit des Kriegsendes spielender Roman "Feiglinge", der, 1949 entstanden, erst zehn Jahre später erscheinen durfte, machte ihn schlagartig berühmt, so bestechend fing er darin das Lebensgefühl einer Generation ein, die sich, gefangen zwischen den Zurichtungen durch die deutsche Besatzung und den ideologischen Zumutungen des kommunistischen Widerstands, ihren eigenen Weg in die innere Freiheit sucht.

Sein literarisches Alter Ego Danny Smiricky, der seinen Autor später auch ins Exil begleiten sollte, hat darin seinen ersten grandiosen Auftritt als Gymnasiast, der in einer verbotenen Jazzband spielt, beharrlich den Mädchen nachsteigt und in den letzten Tagen des Krieges auf subtil Schwejksche Art den sinnlosen Zwangswiderstand gegen die ohnehin geschlagenen Besatzer sabotiert.

Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, warum die kommunistische Zensur dieses Werk so lange nicht hatte passieren lassen. Dem darin zum Ausdruck kommenden Widerwillen gegen jede Art von sich totalitär gebender Ideologie blieb Josef Skvorecky ein Leben lang treu.

Als Schriftsteller müsse man geradezu Reaktionär sein, behauptete er gar einmal. Danny Smiricky allerdings, der auch in Skvoreckys durch und durch antiideologischem, ironischem, postmodern verspieltem Exilhauptwerk "Der Seeleningenieur" die Hauptrolle gibt, hätte dazu sicher nur mokant die Augenbrauen gehoben.

In den deutschsprachigen Ländern ist Josef Skvorecky nie so bekannt geworden wie im angloamerikanischen Sprachraum, und vor allem nicht so, wie es seinem Rang in der tschechischen Literatur gebührt hätte. Das ist sehr, sehr schade, aber wahrscheinlich ist es ihm selbst eher egal gewesen. Schließlich war der Jazz- und Krimifan Skvorecky schon zu einer Zeit anglophil, als die Deutschen ihm verboten, englisches Radio zu hören.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!