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Archiv-Artikel

Schreiberin des heiligen Wortes

Ikonenmalerin Barbara Teubner aus dem niedersächsischen Neustadt am Rübenberge schafft orthodoxe Heiligenbilder. Auftraggeber sind oft protestantische Pfarrer: Sie kennen keine Dogmen, und Teubners Bilder wollen sie für ihre kahlen Kirchen

„Einer Pfarrerin hat mal mein gütiger Christus nicht gefallen. Da habe ich ihr eben einen strengeren gemalt“

von Petra Schellen

Was hatte man denn erwartet? Einen Mönch mit Rauschebart, frisch dem heiligen Berg Athos entstiegen? Oder eine blässlich-verhuschte Dame im klapprigen Citroën, klassische Vertreterin der brotlosen Kunst? Nichts davon präsentiert sich dem, der die Ikonenmalerin Barbara Teubner in Neustadt am Rübenberge bei Hannover trifft: Im metallicfarbenen Mercedes fährt sie vor, das Kostüm so grau wie das Auto und verhärmt ist sie schon gar nicht. Nein, diese Frau weiß, was sie kann und will; forsch bewegt sie sich zwischen den vielen Heiligen und Engeln in ihrer Wohnung. In Gold und Rosa, aus Porzellan, Holz, Plastik, sogar als Seife bevölkern sie ihre Räume. Vom Spiegel und aus Vitrinen lugen sie hervor, und es scheint, als vermehrten sie sich noch, während man dasteht und schaut.

Geradezu diszipliniert hängen dagegen die Ikonen an der Wand. Auch eine Statue der ägyptischen Schutzgöttin Selket hat ihren Platz im Wohnzimmer gefunden, einen Schauraum mit hellblauem Teppich und alten Bibeln. Und während man noch umherstapft zwischen der jemenitischen Hochzeitstruhe und den Damaszener Stühlen, fängt Barbara Teubner an zu erzählen: Begonnen habe alles mit ihrem Vater. Friedhofssteinmetz sei der gewesen. „Und da meine Mutter früh gestorben war, hat er mich mit zur Arbeit genommen. Da war ich sieben. Ein ungewöhnlicher Ort zum Spielen – aber für mich war das normal.“ Katholisch sei sie erzogen worden, sagt Barbara Teubner, und vor der Heirat zum Protestantismus konvertiert. Gemalt hat sie schon immer – doch zur Ikonenschreiberin dauerte es noch fast 40 Jahre. Die Anfrage eines evangelischen Pfarrers schließlich wies den Weg. „Der glaubte, ich könnte mal eben ein paar Ikonen malen.“

Barbara Teubner schüttelt den Kopf. Denn natürlich dauert es, sich zum Ikonenmaler zu qualifizieren: Acht Jahre hat sie bei einem russischen Ikonenmeister gelernt. Studien bei einem griechischen Malmönch folgten. Eine Spanne, die nötig ist, denn der Kanon an Techniken und Themen, die eine Ikone zur „orthodoxen“ machen, ist streng. Da wäre zunächst das Holz: Bei einem speziellen Ikonenschreiner bestellt Teubner ihre Tafeln – „am liebsten Rotbuche oder Eiche. Die sind astfrei und verziehen sich nicht“. Qualitäten, die nicht leicht erlangt sind: „Ikonenholz“, sagt Teubner, „kann an nur zwei Tagen im Jahr geschlagen werden.“

Und die Tafeln müssen eine Menge verkraften: Auf das grundierte Holz wird Blattgold aufgetragen. „Die Blättchen sind so leicht, dass sie auf einem Vergolderkissen festgehalten werden müssen.“ Nächste Etappe: Das Warten auf das Trocknen des Goldes. „Die Malfähigkeit wird getestet, indem man mit einem Achatstein daraufklopft. Es muss hell klingen.“ Gemalt wird zunächst mit dunklen, dann mit hellen Farben. „Nur dann wirkt die Ikone wie von oben beleuchtet und kann ,Fenster der Ewigkeit‘ sein, durch das die Heiligen zu uns hereinschauen.“

Wichtigstes Motiv der Ikonenmalerei: die Muttergottes. 300 Varianten gibt es von ihr, akribisch niedergelegt in Malerhandbüchern. Denn wichtig ist die möglichst getreue Kopie der Vorlage. Eins von mehreren Kriterien für die Anerkennung einer Ikone als orthodox – und ohne die erfolgt keine Weihe. Bei der Expo 2000 zum Beispiel habe sie ziemlich gezittert: Eine dreiteilige Ikone hatte Barbara Teubner damals geschaffen – „und als sie fertig war, kamen die Popen mit Lupen und prüften jedes Detail“. Schließlich wurde die Weihe erteilt – eine Ehre, die nicht allen Heiligenbildern zuteil wird. Denn entstammt das Bildmotiv nicht dem orthodoxen Kanon, wird es lediglich gesegnet – wie Teubners Schwarzenbeker Ikonen: Für zwei Kirchen in dem Städtchen bei Hamburg sollte sie die Franziskus- und die Elisabethgeschichte malen. „Keine von ihnen ist ein orthodoxes Motiv. Für die Elisabeth gab es nicht mal Vorbilder. So bin ich eben nach Thüringen gefahren und habe mir das Zimmer der Heiligen Elisabeth angesehen, die laut Legende Brot in Rosen verwandelt hat. Und habe mir eine Bildfolge ausgedacht.“ Sie gefiel.

Was aber, wenn ein Bild nicht gefällt? Das komme selten vor. „Einer Pfarrerin hat mal mein gütiger Christus nicht gefallen. Da habe ich ihr eben einen strengeren gemalt.“ Nur ein Hauch von Unverständnis schwingt mit, denn eigentlich plädiert Teubner für Toleranz und – Ökumene. „Es ist schon eigenartig, dass so viele protestantische Pastoren Ikonen bestellen. Aber die wollen einfach Bilder für ihre kahlen Kirchen. Und haben wir nicht alle denselben Gott?“

Sie glaubt, was sie sagt und ist doch vor drei Jahren zur Orthodoxie konvertiert. Die nennt sie „Nahrung für die Seele“: „In den Gottesdiensten wird viel gesungen. Da quatscht keiner und wem das Stehen zu anstrengend wird, der geht eben raus.“ Wobei die Gläubigen nicht hinter die Ikonenwand dürfen. Schon gar keine Frauen. Barbara Teubner stört sich nicht daran – genauso wenig wie daran, dass Ikonenmaler unentgeltlich arbeiten. Das sei „Zeugnis unseres Glaubens“, sagt sie – und ist dankbar, weil ihr Mann das Geld verdient.

Darf sie ihre Arbeiten wenigstens signieren? „Die ursprünglichen Ikonen wurden nie signiert.“ Heute, da schriebe sie schon gern ihr Kürzel auf das Bild. Aber der Kanon verbietet es. Muss Selbstbewusstsein Hochmut sein? „Führe meine Hand und öffne mein Herz, damit ich dein Bild würdig wiedergeben kann“, betet sie vor Beginn ihrer Arbeit. Da ist sie wieder, die Demut, die Barbara Teubner zuvor geschickt versteckte. „Eigentlich sind wir doch Diener. Schreiber des heiligen Wortes.“