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Archiv-Artikel

BENNO PLASSMANN ÜBER DIE STUDIE ZUM MISSBRAUCH IM KLOSTER ETTAL Schreckliche Klarheit

Ein Kloster, das sich seinen menschenverachtenden Seiten stellt, verändert noch keine Kirche

Es gibt keinen Zweifel“, stellt die am Donnerstag in München vorgestellte Studie über den Missbrauchsskandal im Kloster Ettal fest: Über Jahrzehnte hat es in der Alpenidylle sexuelle, psychische und physische Gewalt gegen Schutzbefohlene gegeben. Die Klarheit tut gut. Und sie ist fürchterlich.

Denn wenn diese Tatsache jetzt noch betont werden muss, kann man erahnen, welche Beleidigungen, welche Formen von Ausgrenzung und Demütigung Menschen zuvor haben ertragen müssen. Da verwundert es nicht, dass manche meiner Mitschüler meinten, sich nur durch Suizid diesem System entziehen zu können.

Die Ringe des Schweigens bei Eltern, Lehrern und Mönchen und bei vielen der Schüler waren eisern; und das, obwohl schon in den 1950er Jahren ein Pater wegen sexuellen Missbrauchs aus dem Unterricht weg verhaftet und für mehrere Jahre eingesperrt wurde. Das System Ettal hatte daraus gelernt – danach gab es Jahrzehnte der erfolgreichen Strafvereitelung. Bei der Deutschen Bischofskonferenz soll dieses System offensichtlich weiter aufrechterhalten werden; eine unabhängige wissenschaftliche Analyse kirchlicher Strukturen scheint dort ja nicht erwünscht.

Die vorgelegte Analyse wird auch vom Ettaler Opferverein als unabhängig gewertet. Der Opferverein stellt auch fest, dass das Kloster keine Veränderungswünsche hatte. Es mag also stimmen, wenn die Wissenschaftler sagen, dass dies helfen wird, „die Zukunft besser zu gestalten“.

Wessen Zukunft? Ein Kloster, das sich nach Jahrzehnten seinen menschenverachtenden Seiten stellt, verändert noch keine Kirche. Und zur Wahl eines an Aufklärung tatsächlich interessierten Papstes wird es schon gar nicht nicht gebeten werden.

■ Der Autor ist Theatermacher und ehemaliger Ettal-Schüler