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Archiv-Artikel

Schrammas Schreibtisch wackelt

betr.: „Aufklärung bei Archiveinsturz in Köln“, taz vom 23. 3. 09

Die Handlungen und Aussagen von Oberbürgermeister Schramma nach dem Einsturz des Archivs machen deutlich, dass er seine Aufgabe als Leiter der Verwaltung der Stadt Köln nicht angenommen hat und in der Tiefe auch nicht verstanden hat. Er sagt in die Kameras, dass er keine Verantwortung für das Unglück trage. Nach Jahren der Bautätigkeit meldet er sich entrüstet zu Wort, dass es ihn stört, dass sein Schreibtisch wackelt. Schramma hat entschieden, die Verantwortung für den Bau den Kölner Verkehrsbetrieben zu übergeben, das entlässt ihn nicht von seiner Gesamtverantwortung.

Er hat den Bau dieses herausfordernden Projektes nicht begleitet, er hat keine Strukturen geschaffen, damit er ständig eingebunden ist. Er hat das Projekt nicht zur Chefsache gemacht. Er hat die Verantwortung abgegeben und auf Informationen gewartet.

Seine Versuche, jetzt zu zeigen, dass er die Sache in die Hand nimmt, sind peinlich. Er verteilt jetzt Gutachten, um die Bürger zu schützen, und tritt nach unten und leitet ein Disziplinarverfahren ein, weil er eine Information nicht sofort bekommt. Welchen Unterschied macht es für die weiteren Schritte, ob Herr Schramma diese Informationen am 12., 13., oder 20. März bekommt? Vor dem Zusammenbruch des Archivs hat es ihn nicht so interessiert.

Während er ein Disziplinarverfahren gegen den Baudezernenten einfädelt, diniert OB Schramma mit dem Herrenclub des Stadtmuseums, um dort zu verkünden, dass er den Vorschlag des Stifters, für den Anbau des Stadtmuseums nur mit dem Architekten seiner Wahl zu bauen, unterstützt. Gegen alle Absprachen.

Köln wird national und international belächelt und ist verschrien als eine Stadt, die sich in Absprachen und Schmiergeld verstrickt und in der kreative, innovative Konzepte nicht durchsetzbar sind. OB Schramma fehlen Visionen, Wissen und Know-how, wie sich Köln als Kulturstadt, als Wirtschaftsstandort entwickeln kann. Er sollte jetzt die Konsequenzen ziehen. Das rettende Ufer ist für ihn näher als er vermutet. Er hat ja schon gespürt, dass sein Tisch wackelt, jetzt muss er diesem Wink nur noch folgen und handeln. Die Zeit von „Et is noch immer jot jejange“ in der Politik ist endgültig vorbei. Dieses wunderbare Kölsche Gesetz sollte nicht länger missbraucht werden.

Oder wollen wir das alles noch einmal erleben: Abriss der Kunsthalle, peinliche Bewerbung der Stadt Köln als Kulturhauptstadt, Finanzierungsskandal beim Umbau der alten Messe, Containerhäuser für Neureiche im Rheinauhafen (das Dreigestirn als Wahrzeichen des neuen Kölns, die für Ignoranz, Uninformiertheit und Oberflächlichkeit stehen und dazu den Blick auf Dom und Umgebung versperren), Zerstörung der Rheinaue für ein nächstes Chaosprojekt, das Herr Schramma auch aus der Hand gibt, und ein fragwürdiges U-Bahn-Projekt mit 700 bis 1.000 Millionen Euro für 5 Kilometer, Zerstörung des Zentralarchivs und den Tod von zwei Menschen?

ANDREAS TERHOEVEN, Köln