: Schramma verteidigt Großmoschee
Der Kölner Oberbürgermeister diskutiert mit aufgebrachten Bürgern über die geplante Moschee. Rechte von „Pro Köln“ versuchen die Stimmung aufzuheizen – und zeigen Moschee-Kritiker Ralph Giordano wegen Beleidigung an
KÖLN taz ■ Nur ein einziges Mal schien Fritz Schramma (CDU) beinahe die Fassung zu verlieren. Mit geradezu stoischer Ruhe hatte sich der Kölner Oberbürgermeister das Ressentiment überfrachtete Gegeifere der Frau mit der Verkäuferinnenschürze angehört. Tapfer ignorierte er den Zwischenruf des Schirmmützenträgers mittleren Alters, nach dessen Ansicht inzwischen „Türken und Juden“ alles in Deutschland bestimmen würden. Aber dann urteilte die stolze Deutsche auch noch über ihre Nachbarn mit Migrationshintergrund: „Die wollen hier leben wie in der Türkei, aber wir leben hier nicht in der Wüste!“ Völlig konsterniert blickte Schramma in das wutverzerrte Gesicht der Frau. Ein kurzer Augenblick, dann hatte er sich wieder gefangen. „Die Türkei ist keine Wüste!“, antwortete er kurz angebunden.
Es war ein kleiner Vorgeschmack darauf, was die Stadtoberen heute Abend auf der ersten Bürgeranhörung zur geplanten repräsentativen Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zu hören bekommen werden. Rund eine Stunde lang diskutierte Schramma am vergangenen Samstag mit jenen Ehrenfeldern, die zu dem städtischen Informationsstand auf der Venloer Straße gekommen waren. Geduldig hörte er sich ihre Sorgen und Ängste an – und warb für den Moscheebau. So wie auch Paul Böhm, nach dessen Entwurf das islamische Gotteshaus gebaut werden soll. Als Architekt trage er „immer auch politische Verantwortung“, sagte er der taz. „Der stelle ich mich.“ Allerdings zeigte er sich irritiert über die mitunter „rein emotionale und polemische Diskussion“.
Für diese maßgeblich verantwortlich zeichnet die rechtsradikale so genannte „Bürgerbewegung pro Köln“: Auch etliche ihrer Aktivisten – angeführt von Ratsfraktionsgeschäftsführer Manfred Rouhs – hatten sich unter die Menge gemischt und versuchten, die Stimmung aufzuheizen. Mit Flugblättern und dumpfen Parolen wetterten sie gegen eine angeblich drohende „Islamisierung“ Kölns.
Unterdessen hat der Kölner Publizist Ralph Giordano bestätigt, von der rechten „Bürgerbewegung“ verklagt worden zu sein. „Ich habe eine Strafanzeige von ,Pro Köln‘ bekommen, weil ich gesagt habe, sie wären die lokale Variante des zeitgenössischen Nationalsozialismus. Leute, die, wenn sie könnten wie sie wollten, mich in eine Gaskammer stecken würden“, bekundete der 84-Jährige Holocaust-Überlebende am Wochenende.
Die Rechtsextremisten sehen darin die Tatbestände der Beleidigung und der Verleumdung erfüllt. Nach Giordanos islamkritischen Äußerungen hatten sie ihn zunächst noch in einer Erklärung unter der Überschrift „Giordano auf pro-Köln-Kurs“ als vermeintlich neuen Verbündeten gefeiert. Er sehe dem Gerichtsverfahren „mit freudiger Erregung“ entgegen, sagte Giordano. „Ich habe die Gestapo am eigenen Leibe erfahren, diese Leute hier können mich nicht ängstigen.“
Das Angebot der Kölner SPD-Bundestagsabgeordneten Lale Akgün zu einer gemeinsamen öffentlichen Diskussion über die geplante Moschee und die Integration lehnte Giordano indes mit Verweis auf Morddrohungen, die er von radikalen Muslimen erhalten habe, ab.
Während sich Giordano weiterhin gegen den Moscheebau wendet, hat sich die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit jetzt für das Gebäude ausgesprochen. Als „Ort der Begegnung und des Dialoges“ könnte die neue Moschee „einen wesentlichen Beitrag zu einer größeren Integration vieler Muslime in die Mehrheitsgesellschaft leisten.“PASCAL BEUCKER