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Archiv-Artikel

Schräger Vogel will nach Brüssel und darf nicht fliegen

RUMÄNIEN Frisch ins Europaparlament gewählt, steht Populist Gigi Becali zu Hause vor Gericht

BERLIN taz | „Schlagen Sie doch meinen Kopf ab, Herr Richter, Sie sind ja unantastbar“, geiferte der frischgebackene Europaabgeordnete Gigi Becali am Dienstag in einem Bukarester Gerichtssaal. Der Europapolitiker protestierte gegen einen Gerichtsbeschluss, der es ihm untersagt, Rumänien zu verlassen. Er genieße ab nun Immunität, so Becali, und was sich das Gericht erlaube, sei ein „Zirkus im Zirkus“.

Gegen den früheren Schafhirten, der es in der postkommunistischen Nachwendezeit geschafft hat, einen ungeheuren Reichtum anzuhäufen, läuft nämlich ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung. Becali wird vorgeworfen, die Diebe seines Wagens mithilfe seiner Leibwächter eigenmächtig festgenommen zu haben, statt Anzeige zu erstatten.

Nachdem die Geschichte aufgeflogen war, wurde der damalige Vorsitzende der Christdemokratischen Partei der Jungen Generation (PNG-CD) in Untersuchungshaft gesteckt. Der Rechtsbruch des Rechtspopulisten, der bei den Parlamentswahlen im vergangenen Herbst die Fünfprozenthürde verpasste, wurde allerdings in nationalistischen Medien als eine nachahmenswerte Heldentat gefeiert. Als Zeichen der Solidarität bot ihm die rechtsradikale Großrumänienpartei (PRM) einen Spitzenplatz auf der Kandidatenliste für die EU-Wahlen an. Becali nahm an und verzichtete nicht nur auf den Vorsitz in der von ihm gegründeten PNG-CD, sondern trat auch der PRM bei.

Wegen guter Führung wurde Becali aus der Untersuchungshaft entlassen. Aber er durfte Bukarest nur mit Sondergenehmigung verlassen, um an Wahlkampfveranstaltungen teilzunehmen. Laut den Endergebnissen vom Mittwoch errang die Großrumänienpartei bei den Europawahlen 8,65 Prozent der Stimmen und kommt somit auf drei Mandate im europäischen Parlament. Am Montag war man von zwei Mandaten ausgegangen, die Becali und dem PRM-Chef Corneliu Vadim Tudor im Europaparlament zustehen.

Die beiden Politiker sind nicht die einzigen „schrägen Vögel“ aus Rumänien, die ein Mandat in Brüssel errangen. Zusammen mit ihnen wird auch Elena Băsescu einziehen, die von rumänischen Medien als „verzärtelte Prinzessin“ verspottete Tochter des Staatspräsidenten Traian Băsescu. Als unabhängige Kandidatin unter dem Kürzel EBA angetreten, erhielt sie 4,22 Prozent. Der überraschende Erfolg ist auf verdeckte Hilfe der regierenden Liberaldemokratischen Partei (PDL) ihres Vaters zurückzuführen. Die Ortsgruppen der PDL, die sich Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben hatte, erhielten die Anweisung, je zehn Stimmen für die Präsidententochter abzuzweigen.

Schon am Sonntagabend erhielt EBA ein funkelnagelneues Parteibuch der PDL und kündigte an, sich im EU-Parlament der christdemokratischen EVP-Fraktion anschließen zu wollen. Dieser Fraktion gehört auch die PDL an, die einst Mitglied der Sozialistischen Internationale war und sich nach einer ideologischen Pirouette in eine christdemokratische Gruppierung verwandelte. WILLIAM TOTOK