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Schonzeit vorbei?

■ Zum harten Urteil im Prozeß um die Ambrosiano-Bank

Schonzeit vorbei? Zum harten Urteil im Prozeß um die Ambrosiano-Bank

Jahrzehntelang gab Italiens Justiz Anlaß für Empörung oder, bestenfalls, als Vorlage für Karikaturen: dutzendfach freigelassene Killer oder Mafia-Bosse, unbestrafte rechtsterroristische Attentate, ungeahndete Rechtsbrüche von Konzernen gegenüber Arbeitern und Kunden. Die einzigen, die jemals eine wirkliche Entschlossenheit der Justiz zu spüren bekamen, waren mit der außerparlamentarischen Opposition sympathisierende Intellektuelle und Mitglieder der Roten Brigaden oder der Prima linea. Aber die hatten ja auch den „Palazzo“, das Machtkartell angegriffen.

Doch nun wandelt sich unversehens das Bild. Die ständige Kritik von Menschenrechtsorganisationen wegen der Ungleichbehandlung von Arm und Reich, die Proteste wegen mangelnder Anwendung internationaler Vereinbarungen, Ermahnungen durch die EG, die eine Ausdehnung des „italienischen“ Korruptionsmodells auf ganz Europa befürchtet — all dies beginnt offenbar zu wirken. Wenn noch nicht bei den Politikern, so doch bei den Gerichten. Die harten Urteile gegen alle dreiunddreißig Angeklagten im Prozeß um den Zusammenbruch der „Banco ambrosiano“ zeigen, daß die Schonzeit für bestimmte Schichten und Gruppen vorbei sein könnte. Sicher trug zu den hohen Haftstrafen auch bei, daß eine Reihe von Angeklagten — vor allem die Dunkelmänner der Loge „Propaganda 2“ — nur wegen Wirtschaftsverbrechen, nicht aber aufgrund ihrer Beteiligung an terroristischen Taten belangt wurden. Doch Italiens Richter zeigten, daß sie auch auf diesem Weg Straftäter lahmlegen können — analog zum Vorgehen der US-Behörden gegen Mafiosi in den 30er Jahren: Al Capone war schließlich auch wegen Steuerhinterziehung in den Knast gewandert.

Selbst wenn in den oberen Instanzen die eine oder andere Strafe verkürzt, in einigen Fällen sogar aufgehoben werden sollte: Italiens Justiz hat ein Zeichen gesetzt. Vergleicht man dies mit der Milde deutscher Gerichte bei analogen Taten, könnte es ein Signal auch über Italien hinaus werden: daß Wirtschaftsverbrechen kein Kavaliersdelikt sind, sondern zu den schweren gesellschaftsbedrohenden Straftaten zu rechnen sind. Werner Raith, Rom

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