■ Schöner leben: Vom Stinken
Ihr Auftreten ist sektengleich, sie treffen sich an abseitigen Orten, in Winkeln, Spelunken: die Stinker. Raucher drücken sich auf Balkons herum, Motorradfahrer (2-Takt!) im Gelände, Zazikiesser in klebrigen Buden. An den Rand der Gesellschaft gedrängt und durch Verfolgung radikalisiert frönen diese Gruppen ihrer Obsession: dem Stinken.
Das „olfaktorische Schweigen der Deodorant-Gesellschaft“ (Le Guerer) hat unsere Nasen taub gemacht. Die Stinker halten dagegen und müssen doch unterliegen: Wenn es Kultur gibt, fußt sie auf Triebsublimierung — und die Nase ist der animalischste aller Sinne. Erst mit der Erfindung des aufrechten Gangs, der die Nase aus der Scheiße hob, wurde der Bruch mit dem koprophilen Interesse der Prähominiden am Kot vollzogen.
Insofern fällt neues Licht auf den Hundehalter, die Hundehalterin: Selbst sauber, ganz Kulturmensch, lassen sie den Hund als Verkörperung ihrer Nase an der langen Leine gemeinste Gerüche schnüffeln. Ein hochkulturelle Übung sondergleichen! Mit einer Einschränkung: Herrchen wie auch Frauchen geben gern zu, daß sie den entsetzlichen Aasgeruch, der den Schnauzen ihrer Lieblinge entströmt, goutieren — ein atavistischer Ausrutscher... Burkhard Straßmann
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