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■ Schöner lebenHeimwerker raus!

Kaum hat sich der Sommer aus den regenverhangenen Windeln des Spätherbstes befreit, schon wehen die ersten Klagen über die unmenschliche Hitze durchs Land. Mürrisches Menetekeln unterm Ozonloch eröffnet Jammertäler, jede kleinste Schweißabsonderung wird mit dem Abtauen der Gletscher in Zusammenhang gebracht und zur Unnatur erklärt.

Dabei haben die Menschen selbst Schuld, wenn sie so häufig transpirieren. Statt sich zu einem guten Buch und leckeren Getränk in den Schatten zu legen, wühlen sie, kaum daß die Sonne auf ihren wackeligen Beinchen um die Ecke kommt, Keller und Gärten um und verwandeln die clematisumrankte Stille der Hinterhöfe in eine aufgescheucht lärmende Arbeitshölle.

Im Frühsommer kriecht sie hervor, die Spezies der Heimwerker, ausgestattet mit ihrem neuesten Waffenarsenal, das sie sich heimlich in den winterlichen Sonderangeboten der Baumärkte zusammengestellt haben. Wie auf Kommando präsentiert eine ganze Armee von Schwingschleifern und Kantenschneidern ihre röhrenden Waffen und versetzt friedvolle BalkonesInnen in Angst und Schrecken und schließlich auch in Wut.

Nun gut, daß die wuchtige, aus heimischen Hölzern gefertigte Gartengarnitur einen elektrisch betriebenen neuen Anschliff vor dem frischen Farbstrich braucht, mag ja noch angehen. Doch das Unternehmen des Nachbarn A. scheint wie ein Fanal auf Nachbarn B. zu wirken. Nachdem dieser eine Weile stumm beeindruckt dem Treiben zugeschaut hat, greift auch er in pawlowscher Reaktion zum Gerät. Für die kommenden drei Stunden zirkelt B. einen mörderisch ratternden Kantenschneider über sein Rasengeviert, das die Kapazitäten des Gerätes kreischend übersteigt. „Ein Rasenmäher lohnt ja für das kleine Stück nicht“, brüllt B. über den Gartenzaun hinweg und weckt damit offensichtlich die Schaffenskraft von Nachbarn C., der einen Profi-Schwingschleifer besitzt und eine össelige Fußleiste. Daß er eine neue für Pfennigbeträge erstehen könnte, interessiert ihn jetzt nicht mehr, jetzt wird frisch ans Werk gegangen.

Während die drei sich unten gegenseitig über den Lärm hinweg bestärken, haben sich die rundum liegenden Balkone geleert. Für Ruhesuchende war der Tag, „Ich habe fertig“, schon am Morgen gelaufen. Ein neuer Versuch, den Balkon am Abend zu betreten, endete schließlich im heraufdrängenden Ozongestöhn der fleißigen Nachbarn. „Herr, wirf Hirn vom Himmel“, entfuhr es mir endlich lautstark, „und hol dir dafür alle Heimwerker!“ dah

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