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Archiv-Artikel

Schöner bluten

Bis zum 20. August werden auf dem Fantasy Film Fest in Hamburg Horrorfilme und allerlei Artverwandtes gezeigt. Die Filme halten sich, mit einigen schönen Ausnahmen, überwiegend an die Konventionen des Genres – das allerdings formvollendet

Der fantastische Film hat in Deutschland einen schweren Stand. Ein Großteil der Filme wird gleich für den DVD-Markt aufbereitet, kleine Produktionen dringen nur in Ausnahmefällen bis in die Kinos vor. Das Fantasy Filmfest in Hamburg ist das einzige große Festival hierzulande, das sich allen Spielarten des sonderbaren, drastischen Kinos widmet. Im Laufe der Jahre hat sich das Programm von der Fokussierung auf ein Genre gelöst, auch wenn der Großteil noch immer von Horror und Artverwandtem bestimmt wird. Zu sehen gibt es neben den obligatorischen Slashern japanische und französische Gangsterfilme, Mangas und finstere Coming-of-age-Dramen.

Der Eröffnungsfilm „Eden Lake“ allerdings war ein traditionell anmutender, gemeiner Horrorfilm, der stellvertretend für die aktuell dominierende Strömung im Genre stehen kann. Das Debüt des britischen Regisseurs James Watkins verbleibt in den festgezurrten Konventionen des Backwoods-Films. Der stilbildende „The Texas Chainsaw Massacre“ hat es 1974 vorgemacht: eine der Mittelklasse zugehörige Gruppe von Städtern kommt vom Weg ab, gerät ins Hinterland und wird von depravierten Einheimischen durch die Wälder gejagt, ermordet und final zu Hackfleisch verarbeitet.

Innerhalb dieser Genrekonventionen bewegt sich Watkins souverän. Die Gewalt in „Eden Lake“ hat eine beklemmende immanente Logik. Watkins‘ Wilde sind keine inzestuös-verkommenen Hinterwäldler, sondern eine rüpelhafte Clique von Kindern und Jugendlichen. Die Filmgeschichte kennt eine ganze Reihe von todbringenden Gören, so kompromiss- und freudlos agierende kleine Monster aber sind auf der Leinwand nur selten zu sehen.

“Eden Lake“ steht in einer Reihe von aktuellen Produktionen, die sich am modernen amerikanischen Horror der siebziger Jahre orientieren. Nachdem die Neunziger vor allem von verspielt-selbstreferenziellen Filmen wie etwa Wes Cravens „Scream“-Serie dominiert wurden, beziehen sich jüngere englische und amerikanische Produktionen wie „Hostel“ von Eli Roth oder das „The Hills Have Eyes“-Remake von Alexandre Aja auf die fatalistisch gestimmten Genre-Klassiker. Und das ohne ironische Brechung, sondern mit einer Grimmigkeit, die in einigen seltenen Momenten tatsächlich wieder für Verstörung sorgt. Das Ganze hat allerdings auch eine konservative Seite. Genrefilme sind nah an der Formelhaftigkeit gebaut und auch „Eden Lake“ fügt den altbekannten Regeln und Standardsituationen nichts wirklich Neues hinzu. Bei allem ambivalenten Spaß am formvollendet inszenierten Blutsturz: dass ausgerechnet das sich gern subversiv gebende Horrorgenre oft formal vorhersehbar bleibt, ist nach wie vor schade.

Mutiger agieren da schon die hybriden Vertreter des Genres. Vormerken sollte man sich „Repo! The Genetic Opera“ von Darren Lynn Bousman, der eine gutgelaunte Mischung aus Splatterfilm und Musical fabriziert hat, auf die man in hiesigen Kinos ansonsten vermutlich vergeblich warten wird. „Repo!“ kann mit einem selbstbewusst hanebüchenen Plot und einer singenden Paris Hilton aufwarten. Klingt abstrus und ohrenbetäubend, ist aber ein operettenhaft daherkommender Krawallfilm, der ästhetisch an die verschüttete Tradition des französischen Grand Guignol-Theaters anknüpft. Ebenfalls vielversprechend ist „JCVD“, ein ironischer Metakommentar zu einem anderen von Cineasten ungeliebten Genre, dem testosteronlastigen Actionreißer. „JCVD“ ist ein Jean-Claude van Damme-Film, in dem man Jean-Claude van Damme in der Rolle des von Scheidungskrieg und Erfolglosigkeit gebeutelten Jean-Claude van Damme bei der fröhlichen Selbstdekonstruktion zusehen darf.

Wenn man das Programm des Fantasy Filmfests als repräsentativ für das aktuelle Geschehen nimmt, sind der Horrorfilm – ob in seiner grimmigen oder karnevalesken Form – und die angrenzenden Genres trotz allem eisernen Traditionalismus nach wie vor gut in Schuss. Wer sein Dasein nicht als Medienpädagoge oder Erziehungsbeauftragter fristet, wird keinen Grund zur Sorge haben. BENJAMIN MOLDENHAUER

Fantasy Filmfest: noch bis zum 20. August, Hamburg, Cinemaxx