■ Schöner Leben: Von Tränen
Es regnet nicht. Vor dem Kino steht eine Pfütze. Liegt eine Pfütze. Ist eine Pfütze. Die Pfütze besteht aus Tränen, vergossen in „Schindlers Liste“.
Ich treffe B. „Warst du schon?“ – „Ja.“ – „Und?“ fragt sie und bohrt einen Blick in meine Augen, „hast du geweint?“
„Natürlich,“ entgegne ich entwaffnend offen. NATÜRLICH. Weil der Mensch natürlich so gemacht ist, daß er weint, wenn er in „Schindlers Liste“ geht. Sitzt. Ist.
Dieser Blick von B. Erinnert mich an meine Bedenken, im Kino die Schleusen zu öffnen. Aufgehen zu lassen. Das Grauen als Spielfilm. Tränen, die sich zu Gold in Hollywoods Kassen verwandeln. Irgendwie nicht pi-ßi, sowas. Geschweige denn antifa wie gewohnt. (Sowieso: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“)
Die Natur brauchte einen Hilfsgedanken: Gemessen am Leiden, das mir da in Schwarzweiß mit einem winzig bißchen Rot gezeigt wurde ... was ist da mein kleines Bedenken? Mein kleiner Krampf? Komisch: Es half. Das Herz ging auf. Der Indianer kannte einen Schmerz.
Nachher war diese Pfütze vor dem Kino. Gemessen an den Tränen seinerzeit ... was ist da eine Pfütze vor dem Kino? Lächerlich? Entlastend? Eine neue Sprache über den Holocaust? Und wer bin ich, Bedenken zu tragen, ob man solch einen Text mit einer Frage schließen darf?
Burkhard Straßmann
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