■ Schöner Leben: City banking
Die Deutsche Bank ist das mächtigste Geldinstitut in Europa, und ich liebe meine Frau. Ich gebe zu, wir haben mit der Deutschen Bank nicht viel zu tun. Um genau zu sein, wir haben überhaupt nichts mit der Deutschen Bank zu tun. Bis auf die Tatsache, daß wir vor dem Gebäude der Deutschen Bank parken.
Zu blöd. Wir haben keinen Groschen für die Parkuhr. Jetzt können Sie mit Recht sagen: „Kinder, wo bleibt eure revolutionäre Restsüße? Parkgroschen, pah, vergiß ihn!“Sie kennen Herrn Lehmann nicht. Wir kennen Herrn Lehmann auch nicht, aber er uns. Genauer: Er kennt unser Auto. Dreimal zehn Mark und zwei mal dreißig Mark mußten wir auf Veranlassung von Herrn Lehmann wegen falschen Parkens in den letzten drei Monaten schon an die Stadt zahlen. Und da darf man doch schon mal fragen, wieviel einem die Revolution wert ist, oder?
Wie dem auch sei, meine Frau und ich, wir haben keinen Groschen für die Parkuhr, aber meine Frau hat sich ein neues Kleid gekauft. Ein kurzes. Normalerweise trägt sie Jeans, aber heute hat sie ihr neues Kleid an. Das Kleid ist sehr schön. Das, was an Textilien an dem Kleid dran ist, steht meiner Frau ausgesprochen gut. Trotzdem haben wir keinen Parkgroschen. Deswegen steigt meine Frau aus unserem Auto aus und geht, nur bekleidet mit ihrem neuen Kleid in die Deutsche Bank.
Sie hätten die adretten Herren mal sehen sollen! Wie eine Meereswelle hüpften sie an die verschiedenen Theken und hofften auf das große Geschäft mit meiner Frau, oder so. Einen erwischte es dann. Ganz Krawatte, legte sich eine dienstfertige Maske über sein Gesucht. Meine Frau stützte sich auf die Theke, mit dem verfluchten zweiten offenen Knopf am Dekoltee. Wie gesagt, es ist ein sehr schönes Kleid. „Womit kann ich dienen“, schwitzte der adrette Herr. Und meine Frau öffnet ihre Hand, läßt sechs Einpfennig-Stücke und zwei Zweipfenning-Stücke auf die Theke gleiten und sagt mit ihrem strahlensten Lächeln: „Einen Parkgroschen, bitte.“Manche Männer brauchen lange, um zu verstehen.
Thomas Schumacher
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