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■ Schöner LebenMein Freund der Handy-Man

Mein Freund J. glaubt an den Segen der neuen Kommunikationswege. Also hat er ein Handy. Und, mal ehrlich, die Diskussion darüber, ob Handys praktisch oder peinlich sind, ist mitlerweile schon selbst ein bißchen peinlich und überflüssig geworden. Im Berufsleben, z.B. von Journalisten, ist das Handy sicher eine tolle Erfindung. Und in der Freizeit? Erleichtert diese Erfindung uns wirklich das Leben? Hier eine private Bilanz: Fall 1: Nachts finde ich auf dem treuen, zuverlässigen WG-Anrufbeantworter eine rätselhafte Geräuschcollage: drei Minuten ohrenbetäubender Lärm, Gerumpel, Lautsprecherdurchsagen, krakeelendes Volk, mittendrin ein leises, fragendes „Hallo?“ Keine weiteren Informationen. Die WG ist ratlos. Später dämmert es mir: J. hatte mit dem Handy vom Sechstagerennen aus angerufen. Fälle 2-17: Diverse Versuche, Verabredungen am Abend per Anruf zu koordinieren, („Wir sind ab zehn in der üblichen Bar, komm doch auch dahin!“) scheitern an seiner Handy-Ansage: „Hallo, ich bin leider gerade abgehängt. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.“ Das bedeutet: Der Akku ist alle, oder das Handy ist abgeschaltet, oder es liegt einsam zu Hause. Oder alles zusammen. Fälle 18-23: J.: „Warum hast du nicht einfach nochmal angerufen? Ich hatte mein Handy dabei.“ Ich: „Sehr witzig.“ Fall 24: Freitagabend komme ich nach Hause, hatte mich zu nichts verabredet, würde aber gerne noch ausgehen. Der treue Anrufbeantworter blinkt. J.: „Hallo, es ist kurz vor acht, ich treibe mich noch 'n bißchen rum, ruf mich doch auf dem Handy an.“ Keine Ortsangabe, kein Ziel, aber immerhin, der Mann ist ja erreichbar. Oder ist das wieder eine Falle? Egal – ich tu's: Fünfmal Freizeichen. Dann: „Hallo, ich bin leider gerade abgehängt ...“. Reingefallen. Oder? Vielleicht fährt er gerade mitten über eine belebte Kreuzung und kann nicht telefonieren – ich spreche auf die Mailbox. So kann nichts schiefgehen. Es wird immer später. Kein Rückruf. Um halb zehn versuche ich es nochmal. „Hallo, ich bin leider gerade ...“ GRRRR! Letzter Versuch um halb elf: „Hallo, ich bin leider ...“ Kann ein Handy ein Trennungsgrund sein? Gibt es schon bekannte Fälle, wo sich Paare aufgrund von Handystörungen scheiden ließen, Firmen bankrott gingen, Kriege ausgelöst wurden? Weil es inzwischen zu spät ist, noch jemand anders anzurufen, bleibe ich daheim. Um elf klingelt doch noch das Telefon. J.: „Hallo ..., du bist ja doch zu Hause.“ Ich: (mühsam beherrscht) „Wo steckst du denn du Blödmann, ich hab' dreimal versucht, dich anzurufen!“ J.: „Na sowas, versteh' ich nicht ...“ Ich: „Dreimal. Und einmal habe ich auf deine Scheiß-Mailbox gesprochen. Wieso erzählst du mir aufs Band, ich soll dein Scheiß-Handy anrufen, wenn es dann wieder nicht funktioniert? Willst du mich verarschen?“ „Ich, ... , nein, nein, oh, ich ... , also ich konnte es wohl nicht klingeln hören, weil ich auf der Breminale im Konzert war. Die Musik war so laut.“ Bingo. Dies war wirklich der letzte Versuch. Ich schwör's.

Maike Albrecht

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