■ Schöner Leben: Wellness handlen
Liegt es an mir? Bin ich plötzlich zum Besserwisser, Schulmeister und Sprachpuristen geworden? Wie haben wir uns über die Franzosen amüsiert, die per Gesetz ihre Sprache von Amerikanismen rein halten wollten. Aber inzwischen würde auch ich gern die schlimmsten neudeutschen Sprachschöpfungen einfach verbieten – zum Beispiel die „handle-Mania“.
Zu meinem Entsetzen fand ich ausgerechnet in der taz vor einiger Zeit schon die eingedeutschte Schreibform händeln. In der nächsten oder spätestens der übernächsten Auflage des Duden wird sie so sicher als Neuschöpfung offiziell anerkannt werden. Aber egal. So geht es ja schon seit Jahrhunderten. Zwei von mir immer wieder gern gesagte Worte sind ganz ähnlich entstanden: Tschüß war einmal ein kaum verstandendes italienisches Ciao, und die Kartoffel kommt von „tartufo“, dem italienischen Wort für Trüffel.
Meine Händel mit dem handlen habe ich also schon längst als Windmühlenkampf erkannt und beendet. Aber jetzt gibt es den nächsten Großangriff auf mein sprachliches Zartgefühl.
In ein paar Wochen soll in Bremen die Messe „Natürlich leben 98“ stattfinden – und die Veranstalter finden ihren Titel „Gesundheit und Wellness“ bestimmt ganz toll. Da ist es völlig egal, ob das Wort wellness überhaupt in England oder den USA gebräuchlich ist („well-being“ wäre wohl die korrekte Vokabel). „Gesundheit und Wohlsein“ ist ihnen wohl zu poplig. Dabei könnte es mit einer kleinen Finte sogar zu einem richtig pfiffigen Motto werden: Ein paar Gemüsesäfte gibt es doch bestimmt auf dieser Messe – und der Titel „Gesundheit, Prosit, Wohlsein“ groovt doch fast schon von alleine wie ein Gemüse-Rap.
Aber in den Verdacht, originell zu sein, wollen Messeveranstalter offenbar nicht gelangen. Da versuchen sie doch lieber mit der sprachlichen Brechstange zu beweisen, wie kosmopolitisch sie doch sind. Aber kann einem beim Wort „Wellness“ überhaupt wohl sein? Wilfried Hippen
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