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■ Schöner Leben in der VorweihnachtKater verloren ...

Es schneite. Der Kater war verschwunden. Ich legte Peter einen Zettel auf den Schreibtisch. „Felix ist weg - bin ihn suchen.“ Im Schneegestöber suchte ich zwei Stunden nach dem Kater. Völlig durchnäßt gab ich auf. Als ich nach Hause kam, war die Wohnung leer. Peter war nicht gekommen. Die Straßen waren glatt. Hoffentlich hat er keinen Unfall gehabt, dachte ich. Im Wohnzimmer stand der Weihnachtsbaum. „Ich will unbedingt einen Weihnachtsbaum. Ohne Baum, kein Weihnachten“, hatte Peter gesagt. Ich rief ihn im Studentenwohnheim an. So als hätte er meinen Anruf erwartet, war er sofort am Apparat. „Du bist noch nicht losgefahren“, sagte ich. „Hatte bis eben Vorlesung“, log er. „Willst Du Dich trennen?“ fragte ich. „Weiß nicht. Ich fahr' jetzt los, dann reden wir.“ Ich legte auf. Meine Haare trieften. Ich mußte unter die Dusche. Was ich gedacht habe, als der heiße Wasserstrahl versuchte, die Kälte aus meinem Körper zu vertreiben, weiß ich nicht mehr.

Peter kam, als ich das Warten gerade aufgegeben hatte. Sechs Stunden hatte er sich durch den Schnee gekämpft. Eine Stunde für jedes Jahr unserer Beziehung. „Ich hab' keine Lust mehr“, sagte er nur. „Gut“, erwiderte ich. „Gut – ist das alles, was Dir einfällt?“ Seine Stimme klang beleidigt. „Du nimmst mir nur einen Schritt ab“, sagte ich. Ich holte sein Geschenk aus dem Schrank. Ein Bild von Talbot mit Rahmen. Komisch. Als ich es gekauft hatte, wußte ich, daß es mein letztes Geschenk für ihn sein würde. Mir wäre keins mehr eingefallen. Zum Abschied gab er mir einen Kuß. Keine halbe Stunde hatte unser Gespräch gedauert. Als er ging, löschte ich das Licht. Ich stellte mich ans Fenster und lauschte seinen Schritten. Draußen war es stockdunkel. Ich hörte, wie er die Wagentür zuschlug. Der Motor heulte auf, die Scheinwerfer tauchten den Hof für einen Moment in grelles Licht. Ich drehte mich um. Ich wollte ihn nicht noch einmal sehen. Dann war es wieder still und dunkel. Plötzlich hörte ich ein dumpfes Geräusch. Etwas Warmes strich um meine Beine. Der Kater. Er mußte die ganze Zeit auf dem Schrank gelegen haben. Er hatte mich nicht verlassen.

Marcella Mikos

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