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Schön gefärbte EndlagerungRegierung Kohl frisierte Gorlebenstudie

In mehreren Briefen drängten Innenministerium und Forschungsministerium 1983 darauf, ein zentrales Gorleben-Gutachten umzuschreiben. Die Regierung Kohl wollte das Endlager unbedingt.

Ließ gleich nach der Wahl 1983 Druck für ein Endlager in Gorleben machen: Helmut Kohl (hier ganz entspannt im Bundestag Ende 1982). Bild: ap

MÜNCHEN dpa/taz | Neue Dokumente belegen laut Süddeutsche Zeitung, dass die christlich-liberale Bundesregierung von Helmut Kohl 1983 massiv Einfluss auf Wissenschaftler ausübte, die die Eignung von Gorleben als atomares Endlager prüfen sollten.

Nach einem dem Blatt vorliegenden Schriftverkehr drängten die Ministerien für Forschung und für Inneres unter den Ministern Heinz Riesenhuber (CDU) und Friedrich Zimmermann (CSU) die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zum Umschreiben eines maßgeblichen Gutachtens. Dies gehe aus einem Fernschreiben hervor, das das Forschungsministerium am 13. Mai 1983 an die Fachbehörde sandte.

Damals war ein wegweisender Bericht in der Schlussphase. Er sollte die Ergebnisse zu Gorleben zusammentragen und letztlich klären, ob der Salzstock auch unter Tage erkundet werden soll. Die PTB, Vorläuferin des Bundesamtes für Strahlenschutz, zeichnete für den Bericht verantwortlich.

Die beiden Ministerien hätten über die Zukunft Gorlebens jedoch offenbar bereits entschieden, schreibt die Zeitung. Unter anderem sei die Gefahr, dass radioaktive Substanzen ins Grundwasser gelangen könnten, in dem Bericht heruntergespielt worden.

Damit gebe es erstmals einen Beleg für die Einflussnahme der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung auf die Vorbereitungen zu Gorleben, berichtet das Münchner Blatt. Erst vor kurzem waren zwei Fassungen des Berichts aufgetaucht. Die frühere der beiden geht dabei deutlich kritischer mit Gorleben um als die spätere. Helmut Röthemeyer, damals Abteilungsleiter in der PTB, hatte schon im Frühjahr in der taz geklagt, die Behörde habe seinerzeit unter massivem Druck der Politik gestanden.

So seien zu einem Expertentreffen in der Schlußphase des Gutachtens plötzlich Vertreter von Kanzleramt und Forschungsministerium erschienen. "Ich habe ansonsten nie wieder ein solches Gespräch geführt in meinem ganzen Leben", erinnerte sich Helmut Röthemeyer im Frühjahr gegenüber der tageszeitung.

Nach einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung von heute wollte nicht nur Niedersachsen, sondern auch der Bund in den 80er Jahren die Asse als Atommülldeponie reaktivieren. Der Zeitung zufolge verwies die sozial-liberale Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt (SPD) im Dezember 1981 auf "Bemühungen des Bundes um die Nutzung des ehemaligen Salzbergwerks Asse II als Endlager für schwachradioaktive Abfälle".

Zur Begründung hieß es, die zu erwartenden Mengen an atomarem Müll könnten nicht allein in dem vorgesehenen Endlager Gorleben beseitigt werden. Es sei daher "dringend erforderlich, für schwachradioaktive Abfälle möglichst noch in den 80er Jahren wenigstens eines der geplanten Endlager Konrad oder Asse in Betrieb zu nehmen".

Das inzwischen marode Bergwerk bei Wolfenbüttel war von 1967 bis 1978 als Versuchslager für schwach- und mittelradioaktiven Müll sowie als Forschungsstätte genutzt worden. Wegen auslaufender Genehmigung hatte man die Einlagerung 1978 gestoppt.

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9 Kommentare

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  • D
    Dolph

    Über den politischen Druck kann man sich ja eigentlich kaum wundern. Blankes Entsetzen hingegen muss einen überkommen, wenn man sich bewusst macht, wie leicht sich offenkundig die Autoren der Gutachten unter Druck stzen ließen!

    Was hatten sie denn zu befürchten? Dass ihnen die Gelder zusammengestrichen werden? Das wäre durch einen offensiven Umgang mit der Angelegenheit leicht vermeidbar gewesen.

  • S
    Sunny

    Atomkraft ist gefährlich. Es wird nie ein ungefährliches Endlager geben. Asse oder Gorleben, die Menschheit wird erst am Ende der Zeit wissen, welches Lager besser war.

  • K
    Karl

    Soo kryptisch wie immer behauptet, waren weder die Gutachten noch die seit 1985 veröffentlichten Forschungsergebnisse zum vorgesehenen Endlagerkonzept. Natürlich verbrigt sich da gutachterlicherseits viel im amtlichen Schönsprech, nur mit kritischem Blick war dieses auch schon vor 20 Jahren erkennbar. Hat nur außer ein paar Geologen hier keinen wirklich interessiert; zumal leider Deutsche mehrheitlich allzu ungebildet sind um den Inhalt selbst kritisch werten zu können.

     

    Was also soll das Gejammerß

     

    Glkück auf!

     

    Karl

  • K
    K.B.

    auch @Eddy:

    Bei Ihnen klingt es ja gerade so als wäre es eine Zumutung sich an Dinge zu erinnern, die grade mal vor weniger als 30 Jahren passiert sind. Gerade sich mit den Geschehnissen in der Vergangenheit auseinander zu setzen schluhlt uns doch in der Zukunkft aufzupassen, damit so etwas nicht noch einmal vorkommt. Und ich muss auch sagen, dass es doch sehr eigenartig ist Informationen anzuzweifeln, nur weil die Politik im Wahlkampf steht. Was wollen Sie denn damit sagen? Sollen wir uns keine Sorgem machen, da Sie finden, dass radioaktiver Müll ja vollkommen harmlos ist oder sollen wir einfach bis zur Wahl keinem mehr glauben? Was halten Sie denn vom Inhalt des Artikels?

  • KM
    korruptas ministerias

    @Eddy:

    Wieso glauben sie das die Journalisten unabhängiger sind als die Wissenschaftler? Wenn sie wirklich wollen dann finden sie auch die Infos. Selbst wenn es ein Wahlmanöver sein sollte, ändern sich die Infos dadurch etwa? Der eigentliche Skandal ist doch es noch immer so weiterläuft und Typen wie sie das ganze noch verharmlosen.

     

     

     

    http://www.youtube.com/watch?v=aMrnQUTK7pY&feature=player_embedded

  • H
    Hannah

    "...massiv Einfluss auf Wissenschaftler ausübte, die die Eignung von Gorleben als atomares Endlager prüfen sollten...

    Nach einem dem Blatt vorliegenden Schriftverkehr drängten die Ministerien für Forschung und für Inneres unter den Ministern Heinz Riesenhuber (CDU) und Friedrich Zimmermann (CSU) die zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zum Umschreiben eines maßgeblichen Gutachtens."

     

    So, hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem: wurden die Herren und Damen Wissenschaftler mit Waffengewalt gezwungen, ihr Gutachten regierungsfreundlich zu frisieren? Nein. Also, wieso beugten sie sich einem für sie nicht lebensgefährlichen Druck? Aus Karrieregründen? Anzunehmen. Und dies unter Inkaufnahme einer potentiell massiven Gefährdung vieler Menschen. Diese Verharmlosung, ja, Nicht-Bennung persönlicher Verantwortlichkeit, persönlicher Bestechlichkeit, die sich - auch - in wissenschaftlichen Kontexten regelhaft finden lässt, sollte auch klar als solche benannt werden.

  • E
    Eddy

    Na da haben aber unserer linken Journalisten jahrelang in Winterschlaf gelegen, dass das jetzt erst gemerkt wurde. Und das macht dann diesen ganzen Bericht wieder total unglaubwürdig. Kurz vor der Bundestagswahl wird solch ein Artikel in der Süddeutschen veröffentlicht. Das wäre ja so, als würde der Bayernkurier etwas über Guillome Affaire der Brandt-Ära schreiben. Also wirklich: Zu auffällig das Wahlkampfmanöver und die bewusste Beeinflussung des unentschlossenen Wählers.

    1983 - man ist das lange her - noch vor Tschernobyl. Mehr als ein Vierteljahrhundert. Allein sich daran zu erinnern fällt einigen schon schwer. Wenn man keine Hoffnung hat, versucht man eben alles, um den politischen Gegner zu schaden.

  • AD
    Axel Dörken

    Strafantrag vs. politische Immunität

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • G
    Gott

    Das ist doch genau das Verhalten was man von der CDU erwartet und welches sich die CDU-Wähler wünschen.