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Schnüffelaffäre in FrankreichStaat hört bei Journalisten mit

Behörden überwachten das Telefon eines "Le Monde"-Mitarbeiters, der zur Bettencourt-Affäre recherchierte. Ein Ministerialberater wird nun strafversetzt.

Abhören – neuer Trend jetzt auch in Frankreich. Bild: dpa

PARIS taz | Nach Großbritannien hat jetzt auch Frankreich seine Schnüffelaffäre. Nur dass die Presse nicht, wie die Murdoch-Gruppe Täter, sondern Opfer ist. Offenbar im staatlichen Auftrag oder zumindest mit dem Segen von ganz oben wurden die Telefonleitungen des Le Monde-Journalisten Gérard Davet abgehört.

Innenminister Claude Guéant musste öffentlich zugeben, dass die französischen Staatssicherheitsbehörden dessen Anschluss überwachten, um auf die Spur eines Informanten zu kommen, der 2010 den Medien vertrauliche Details aus den gerichtlichen Ermittlungen in der Bettencourt-Woerth-Affäre gegeben haben soll.

Diese Untersuchung war für die Staatsführung explosiv geworden, weil nicht nur Interessenkonflikte des früheren Minister Eric Woerth, sondern auch der Verdacht auf illegale Finanzierung der Regierungspartei UMP und womöglich sogar der Präsidentschaftskampagne untersucht werden. Darum sei Staatschef Nicolas Sarkozy wütend gewesen über die zum Teil kompromittierenden Zeugenaussagen und Gerüchte, die während Wochen in den Pariser Zeitungen abgedruckt wurden.

Die Gegenspionage der DCRI sah das als Legitimation, sich bei einer privaten Telefongesellschaft die Liste aller ein- und ausgehenden Anrufe eines Journalisten zu besorgen. Bei den von DCRI-Chef Bernard Squarcini und dem nationalen Polizeichef Frédéric Péchenard organisierten Nachforschungen ging ein Berater der Justizministerin ins Netz: David Sénat stand in telefonischem Kontakt mit Davet.

Obwohl er seine Unschuld beteuerte, wurde Sénat umgehend sanktioniert. Offiziell handelt es sich bloß um eine administrative Versetzung nach Cayenne in Guyana. Die Standortwahl ist jedoch von symbolischer Bedeutung, denn dort befand sich früher Frankreichs Strafkolonie.

Klage gegen schnüffelnde Polizeibehörde

Der bespitzelte Journalist dagegen will die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Er hat mit Unterstützung seiner Zeitung und der Gewerkschaft gegen die schnüffelnden Polizeibehörden Klage eingereicht. Denn in Frankreich ist der Schutz der Informationsquellen der Medien seit 2010 ausdrücklich geschützt. Squarcini und Péchenard werden darum demnächst von einer Untersuchungsrichterin befragt.

Innenminister Guéant deckt seine beiden Beamten, ohne zu präzisieren, in wessen Auftrag sie gehandelt hätten; er sagte aber, dass gegen die beiden "großen Staatsdiener", die nur das nationale Interesse verteidigt hätten, "selbstverständlich" keine Sanktionen ergriffen würden. Er dementierte auch Presseberichte, wonach sich unter seiner Leitung im Elysée-Präsidentenpalast eine Krisenzelle, ein sogenanntes schwarzes Kabinett, mit dem Kampf gegen mögliche Sarkozy abträgliche Gerüchte und Enthüllungen beschäftige.

Vermutet wird, dass ähnlich illegal weitere Journalisten bespitzelt wurden, die im Zusammenhang mit der Bettencourt-Geschichte oder anderen Affären über Sarkozy und seine Partei wegen des Verdachts auf illegale Wahlfinanzierung recherchiert haben.

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2 Kommentare

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  • BA
    bitte anonym

    Dazu meinte Luzifer von Satan, des Teufel's Advokat : " Um herauszufinden ob Journalisten in Frankreich aehnliches betreiben, oder betrieben, wie die Murdoch corp. in wer weiss wie vielen Laendern, kann es nur im Interesse des Buergers sein, Journalisten die ein ' insight' in verschiedene 'affairs', hatten oder haben, abzuhoeren, um vorzubeugen das

    1. Politiker nicht mit evtl. Staatsgeheimnissen nicht von Journalisten abgehoert wurden.

    2. Inside information welche Journalisten evtl. erfuhren, nicht weitergetragen wird, oder ' verkauft '.

    3. Politiker nicht erpresst werden, sollte ein Journalist via phone-abhoeren etwas persoenliches ueber einen Politiker erfahren haben...

    4. Ob der Journalist engere Kontake mit der Polizei pflegt, wie Murdoch corp. mit Scottland Yard, wie berichtet von der Presse.

  • AS
    Ab schicken

    Wenn Presse nicht nur homöopatisch alle Jubeljahre mal etwas aufdecken würde, als ständig Politiker zu anständigem Verhalten zu bewegen so wie ein Drehzahlmesser dafür sorgt das das Formel-1-Auto optimal bewegt wird, dann hätte man ja vielleicht "Mitleid" mit denen.

    Wer Enteignung (von Grundrechten) jahrelang weg- und zuschaut darf auch selbst enteignet werden. Gleiches (Un)Recht für alle.

    Presserecht muss man sich durch Leistung verdienen. Wenn Presse wirken würde, gäbe es dieses Fehlverhalten nämlich nicht.

    Dann herumzuzieren statt endlich mal die durchgängige Transparenz zu erschaffen ist einfach nur noch selber schuld.

    Die Geschichte zeigt durchgängig auf, wieso man Anfängen wehren muss.

    Wenn man alt genug ist, hat man sowas alles (wie rotgrün und schwarzgelb und Remakes von Remakes) nämlich immer wieder schon gesehen. Libyen hiess vor 3 Jahren Ukraine und davor Haiti, Irak, Afghanistan, DDR,... und jedesmal jubelte das Volk und jedesmal... was ? Na also.

    Man macht Presse richtig, oder auf der Seite der Gewinner/Diktatoren/Plünderer/lupenreiner Demokraten/Brutalstmöglichen Aufklärer/Landschafts-Erblühern oder halt gar nicht.

     

    Das Telefonprotokolle inzwischen wohl freie unkontrollierte Güter für jedermann mit dem richtigen Titel oder Pöstchen sind, sollte jedem Journalisten (und Bürger) klar machen, wieso anonyme wirksame Meldemöglichkeiten per Internet zu bevorzugen sind. Aber es gibt ja wohl noch eine Mehrheit von Horst-Schlämmer-Print-Journalisten deren letztes Update das FAX war.