Schnüffelaffäre bei der Bahn: Erste Spur zum Vorstand
Berlins Datenschutzbeauftragter wirft der Bahn gravierende Rechtsverstöße vor. Eine Mail soll außerdem darauf hinweisen, dass der Bahn-Vorstand von den Spitzelaktivitäten wusste.
BERLIN taz Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix wirft der Bahn "gravierende Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz" vor. Das geht aus dem vorläufigen Abschlussbericht des Prüfers über die Schnüffelaffäre bei dem Unternehmen hervor. Nun hat die Behörde auch einen Hinweis auf die Kenntnis eines amtierenden Vorstandsmitglieds über zweifelhafte Überprüfungsaktionen gefunden.
Vor allem aber gibt der Bericht einen Einblick in das von Misstrauen geprägte Innenleben des Konzerns. Unter dem Mantel der Korruptionsbekämpfung hat die Revisionsabteilung dem Bericht zufolge wenig Rücksicht auf die Rechte der Beschäftigten genommen. So widmet sich Dix der Zusammenarbeit mit der Detektei Argen. Deren Spezialität ist demnach die Kontrolle von Kontobewegungen. Teilweise beschaffen die privaten Ermittler sogar Kontoauszüge im Original.
Bei einem möglicherweise bestechlichen Bahnmitarbeiter spähte die Detektei Kontobewegungsdaten bei der Frankfurter Volksbank aus. Die Originalunterlagen landeten bei der Bahn. Daraus ging zum Beispiel hervor, dass der Betroffene Unterhalt an seine Kinder bezahlte, einem Nuklearmediziner Honorar überwies oder Arztrechnungen beglich.
Derlei Schnüffelaufträge erteilte die Bahn nicht direkt. Vielmehr setzten Anwaltsbüros die Detektive auf die Spur. Doch Dix fand auch eine womöglich folgenschwere E-Mail, die von einem Bahner an einen der Anwälte geschickt wurde. Daraus geht für den Datenschutzbeauftragten das Einverständnis der Bahn mit den dubiosen Methoden hervor. „Nach dieser E-Mail spricht einiges dafür, dass auch ein jetziges Vorstandsmitglied im DB-Konzern in die Zusammenarbeit mit der Argen GmbH involviert war“, stellt der Beamte fest. In der Mail ist von einer Frau S. die Rede. Die Deutsche Bahn hat momentan nur ein weibliches Vorstandsmitglied: Margret Suckale.
Die erhobenen Daten würden immer noch gespeichert. Von einer legalen Beschaffung der Kontobewegungen geht der Prüfer nicht aus. „Es ist kaum vorstellbar, dass die Daten ohne Verstoß gegen strafrechtlichen Normen in den Besitz der Argen kommen konnten“, urteilt Dix.
Der Report ist noch nicht abgeschlossen. Bis zum 21. April soll das Unternehmen dazu Stellung beziehen. Hinweise auf eine Verstrickung der Chefetage oder Gesetzesverstöße erkennt der Konzern nach wie vor nicht. „Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich weder strafrechtlich relevante Tatbestände, noch dass ein früheres oder heutiges Vorstandsmitglied die Firma Argen beauftragt hat“, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Das behauptet der Datenschutzbeauftragte auch gar nicht.
Auch die so genannten „Screenings“, bei denen der Konzern mehrfach die Daten von Beschäftigten und Lieferanten abglich, werden von Dix beanstandet. Die Mitarbeiter hätten informiert werden müssen, stellt der Experte fest. Auch der Datenschutzbeauftragte des Konzerns sei lediglich bei der ersten Massenüberprüfung 1998 informiert worden. Bei den weiteren Aktionen habe sich die Revision der internen Kontrolle entzogen. Um die Legalität der Spähaktionen hat sich die Fachabteilung nicht gekümmert. „Der völlige Verzicht der Revision auf rechtliche Prüfungen erweckt zumindest den Anschein als habe sich die Revision in ihrem Arbeitsbereich als rechtsfreier Raum verstanden“, heißt es in Dix Bericht.
Der bisherige Bahnchef Hartmut Mehdorn ist letztlich der sich immer mehr ausdehnenden Datenaffäre zum Opfer gefallen. Bisher kann dem scheidenden Vorstandschef höchstens der fehlende Durchblick im eigenen Haus nachgewiesen werden. Details der Korruptionsfahndung kannte Mehdorn nach eigenen Angaben nicht.
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