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■ SchnittplatzSado-Maso-Nummer

Die Mühlen der Götter mahlen langsam. Diesen alten Sinnspruch können sich auch die Landesmedienanstalten zum Motto machen. Zudem mahlen die Mühlen der Privatfunkkontrolleure nicht besonders fein: Die Medienkonzentration schreitet munter voran, die Werberichtlinien werden einfach umgangen, und auch beim Jugendschutz ist immer schon „das Kind in den Brunnen gefallen“.

Jüngstes Beispiel: Die Sado-Maso- Nummer des (inzwischen eingestellten) Sat.1-Magazins „Basta“, die am 12. November 1993 um 18 Uhr über die norddeutschen Regionalfrequenzen lief. Sechs Monate danach sind sich die Medienanstalten von Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen endlich sicher: Die Sendung war jugendgefährdend! Sie hätte erst nach 22 Uhr gezeigt werden dürfen. Das Programm beinhaltete „neben Gesprächen mit einer Prostituierten und Betroffenen Dokumentationsaufnahmen sadomasochistischer Praktiken“. Derartige Darstellungen, so der federführend von der Hamburger Medienanstalt HAM verbreitete Tätigkeitsnachweis, seien „geeignet, bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren, die ihre Einstellung zum eigenen und zum anderen Geschlecht noch entwickeln, Ängste zu erzeugen“.

Um zu dieser Binsenwahrheit zu gelangen, übernahmen die Kontrolleure praktischerweise das Fazit eines von Sat.1 selbst bei Joachim von Gottberg (siehe nebenstehendes Interview) in Auftrag gegebenen Gutachtens, das sich – wie die HAM betont – auch der Sender zu eigen gemacht habe. Damit habe man denn auch „den eigentlichen Effekt erzielt“, verkaufen die Medienwächter nun als Erfolg, was branchenüblich ist. Im übrigen habe Sat.1 – wie mittlerweile alle Privaten – einen Jugendschutzbeauftragten, „und wir hören auf ihn“, so Sat.1-Chefredakteur Michael Rutz. Fragt sich nur: Warum dann bei den fünf zur Zeit anhängigen Fällen auch Sat.1 schon wieder dabei ist. Doch warum sich sorgen: Wegen der heute gemachten Verstöße müssen die Privaten wohl frühestens zu Neujahr wieder mit Beanstandungen rechnen. Und die sind dann auch nur zahnlose Papiertiger, statt wenigstens Wiedergutmachung anzuordnen. Ulla Küspert

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