■ Schnittplatz: Give me less!
Heute nun drängt also auch der Bauer-Verlag mit einer neuen Programmzeitschrift an die Kioske. Eine Woche nach der Gruner + Jahr-Gazette TV-Today zieht der Konkurrent mit einer Fernsehzeitung nach, von der wir bis vorgestern noch dachten, daß sie more heißen würde. Das aber wußte Gruner + Jahr zu verhindern: Nachdem Bauer dem Erzrivalen den Titel „Nummer Eins“ gerichtlich untersagen ließ, erwirkte G+J nun eine einstweilige Verfügung, derzufolge der Titel „more“ unzulässig suggeriere, mehr als die Konkurrenz zu bieten.
Sicher haben die G+J-Strategen nicht unrecht mit ihrem Hinweis, daß auch Bauer nicht mehr bieten könne als die 34 TV-Programme. Aber abseits des merkantilen Hauens und Stechens der Großverlage verwundert die G+J-Argumentation dann doch. Hatte man uns nicht gerade mit TV-Today die Revolution der Programmzeitschrift annonciert? Wollte nicht gerade die junge Truppe um Chefredakteur Andreas Schmidt (ehemals TV-Spielfilm) endgültig aufräumen mit jenen Kochrezepten und Kummerkästen, mit der die klassischen Fernsehillustrierten das TV- Programm so schamhaft umrahmen?
Tatsächlich spiegeln die neuen Blätter die technische Entwicklung und kulturelle Emanzipation des Fernsehens wider: Als die Fernsehbilder laufen lernten, versteckte man die wenigen Programmankündigungen der ARD noch in den üppigen Zeitleisten der Radio-timetables. Nicht umsonst heißt die älteste und lange erfolgreichste TV-Zeitung HörZu. Zwar änderten sich mit der Ausweitung des Fernsehangebots allmählich die Gewichtungen, aus einer Spalte wurde eine Seite oder mehrere, bald kamen Nachrichten und Tips dazu. Aber erst mit TV- Spielfilm wagte der Milchstraßen- Verlag vor vier Jahren, den Fernsehkonsumenten so ernst zu nehmen, daß man ihm ausschließlich TV-Berichterstattung anbot — allerdings verbrämte das Blatt das Interesse am Fernsehen noch mit dem Interesse am Kino-Spielfilm.
Mit den beiden neuen Blättern ist es nun endlich raus: Wir glotzen gern und stehen dazu. Wir Fernsehkinder wollen nämlich gar nicht „more than TV“. Wozu also der ganze Ärger?Klaudia Brunst
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen