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■ SchnittplatzVom Monster zum Medienstar

Sieht er nicht eigentlich ganz nett aus? „Der sieht doch eigentlich ganz nett aus“, sagt die Mutter beim frühstücklichen Rascheln in der Boulevardpresse.

Die Blätter haben sich gedreht. Die Münchner Abendzeitung sah ihn weniger in die Verbannung als in einen „Liebesurlaub“ mit Freundin Jasmin, 16, abfliegen und macht sich jetzt Sorgen: „Was wird aus ihm, wenn seine Freundin und die Reporter wieder abgezogen sind?“ Vom Monster zum Medienstar: „Mehmet“, der zeitungsnotorische Schläger aus München-Neuperlach, hätte sich schon viel früher fotografieren lassen sollen.

Klar, er hat Passanten brutal zusammengeschlagen und beraubt. Aber jetzt, wo wir ihn aus allen Zeitungsspalten lächeln sehen – der ist doch noch ein Kind. Und hat er nicht Reue versprochen, sich auch schon telefonisch bei seinen Opfern entschuldigt? Und sieht er nicht wesentlich harmloser aus als sein staatlicher Widersacher, Bayerns CSU-Innenminister Günther Beckstein?

Jedenfalls wollen wir unbedingt wissen, wie's weitergeht. Werden „Mehmet“ und Jasmin heiraten, und uns eine Gangster- Romanze liefern? Fängt „Mehmet“ an, auch in der Türkei zu prügeln? Gar einen Reporter? Wird er, vereinsamt, drogenabhängig und/oder aidskrank? Ist Jasmin (16) schon schwanger? Hat ihre Mutter recht, wenn sie sagt: „Die beiden schlafen nicht in einem Doppelbett.“ Oder jener Istanbuler Bezirksfürst, der sich dafür stark macht, daß das junge Paar gemeinsam untergebracht wird und bald heiraten darf? Fragen, die man uns sicher bald und gerne beantworten werden – sitzen die Kollegen doch schon hinter jedem Busch der Türkei. Aber nicht exklusiv: Reihum dementieren Sender, von Sat.1 bis RTL, Exklusivverträge mit „Mehmet“ zu haben. Bild droht jedem mit dem Anwalt, der noch mal behauptet, sie habe „Mehmet“ und Jasmin (16) das Hotel bezahlt. Das tun wir also nicht und fragen uns lieber, woher der Bub (14) die Kohle fürs Doppelzimmer hat. Aus einem Raubüberfall? Dranbleiben, Kollegen! Stefan Kuzmany

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