■ Schnittplatz: Bruno und die Detektive
Die Geschichte ist gut und spielt auch noch quasi vor der Haustür, im Hamburger Stadtteil Schnelsen. Im Streit um gutes Benehmen im Straßenverkehr, dieses Motiv vermutet zumindest die Polizei, hat ein Mann einen anderen erschossen. Klar, daß dieser ganz unhanseatische Diskurs im öffentlich Raum auch Stoff hergibt für das Hamburger Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Zumal, wenn der Mörder in unmittelbarer, gutbürgerlicher Nachbarschaft des Tatorts vermutet wird. Super Geschichte – zumal auch Kinder eine Rolle spielen: Zwei acht- und neunjährige Jungen, die oft und gerne und auch am Abend des Mordes Detektiv spielend durch ihr Viertel ziehen, wurden Augenzeugen des Verbrechens.
Im Kino setzt die Polizei stets alles daran, solche Augenzeugen anonym zu halten, geht Sicherheit vor Fahndungserfolg. Im wahren Leben, so scheint's, nicht. Der Spiegel druckt ihre Namen schon im ersten Satz. Die echten Namen. Die, unter denen sie jeder kennt im Viertel, in dem auch der Mörder zu Hause sein soll. Einen von den beiden Jungen sehen wir sogar im Bild, sein Gesicht mit Pixeln nur notdürftig verfremdet. Für den Spiegel sitzt er noch mal an der Stelle, von der aus er und sein Freund den Mord beobachtet haben. In der Story von Spiegel-Autor Bruno Schrep und den Detektiven spielen die beiden Kinder keine große Rolle. Aber weil man, vor allem der Spiegel, Geschichten am besten mit Geschichtchen erzählt, steigt Schrep mit den Kindern ein und wieder aus. Ein echtes Verbrechen beim Detektiv-Spielen – die Analogie zu Erich Kästners Kinderbuch will der Autor nicht verschenken. Und wunderbar paßt auch, daß einer der Jungen den Täter in der Folgezeit nochmals gesehen hat, wieder im Umfeld des elterlichen Hauses.
„Gesucht wird jetzt“, endet die Spiegel-Story, „ein Mann mit Baseballkappe, Bart und Brille, der womöglich häufig in Schnelsen spazierengeht.“ Was der da wohl sucht? Oder wen? Vielleicht ist er ja Spiegel-Leser. Dann weiß er jetzt mehr.
Axel Kintzinger
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