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Archiv-Artikel

Schneller am Schießstand

Deutschlands Biathleten sollen in diesem Winter flotter durch die Loipe preschen. Dass dies zunächst Fehler beim Schießen nach sich zieht, ist Bundestrainer Frank Ullrich bewusst. Er will es verzeihen

VON JOACHIM MÖLTER

Wenn Thomas Pfüller, der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV), vor diesem Winter über seine Abteilungen sprach, hat er gelegentlich die Biathleten vergessen, nicht aus böser Absicht, im Gegenteil. „Mit denen haben wir sowieso keine Probleme“, hat er dann gesagt, „die bereiten uns jedes Jahr kontinuierlich große Erfolge.“ Sieben Medaillen haben sie bei den Weltmeisterschaften im Februar in Oberhof geholt, darunter zwei goldene durch Ricco Groß (Ruhpolding) im Verfolgungsrennen und durch die Männer-Staffel. Um das Fortkommen der Biathleten macht sich Pfüller jedenfalls keine Sorgen: „Dort läuft’s eh“, sagt er. Die zuständigen Trainer haben indes festgestellt: Es läuft nicht schnell genug, zumindest nicht bei den Männern. „Im Vergleich zu den Norwegern sind wir läuferisch zurückgefallen“, hat Jürgen Wick analysiert, der Wissenschaftskoordinator der Biathleten.

Der vierfache Olympiasieger Ole Einar Björndalen und seine Landsleute sind in der vorigen Saison ja durch die Loipen geprescht, als wären Bären hinter ihnen her; dafür haben sie in Kauf genommen, schwer atmend am Schießstand anzukommen und dort nicht immer ins Schwarze zu treffen. Fritz Fischer, ehemals Olympiasieger und heute Trainer im DSV-Team, sagt zwar: „Es kann nicht Sinn der Sache sein, immer Laufbestzeit zu erzielen und dann drei, vier Scheiben stehen zu lassen. Wenn man mit null Fehlern nicht mehr gewinnen kann, läuft etwas falsch.“ Aber auch er sieht ein: „Man muss schon mitlaufen können.“ Weshalb Cheftrainer Frank Ullrich die Devise ausgegeben hat: „Wir müssen eine Laufoffensive gegen die Norweger starten.“ Schon allein, um im Hinblick auf Olympia 2006 nicht den Anschluss zu verlieren.

Die Laufoffensive beginnt in dieser Woche, zufällig auch noch in Norwegen, wo die ersten beiden Weltcup-Veranstaltungen der Saison ausgetragen werden: vom heutigen Donnerstag an bis Sonntag in Beitostölen und nächste Woche dann am Holmenkollen in Oslo. Da muss sich schon zeigen, ob die deutschen Biathleten Fortschritte gemacht und den Rückstand aufgeholt haben, denn angesichts des dicht gedrängten Wettkampfprogramms haben sie bis zur WM im März in Hochfilzen (Österreich) „überhaupt keine Zeit mehr, das Leistungsniveau zu verbessern“, wie Jürgen Wick festgestellt hat: „Die Bedeutung des Trainings im Frühjahr und im Sommer nimmt zu.“

Bei den Biathleten verschieben sich also gerade einige Gewichtungen, und die deutschen Skijäger waren in den vergangenen Monaten bemüht, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Als entscheidenden Faktor hat Jürgen Wick die Laufleistung bei den Anstiegen ermittelt: „Die müssen wir verbessern, um die Norweger zu erreichen.“ Auch diesbezüglich war eine Veränderung des Trainingsschwerpunkts nötig: „Wir sind ja ein Verband, der eher mit Kraftimpuls läuft“, sagt Wick, „aber wir versuchen, frequenteres Laufen einzubauen“, also schnelleren Schrittes durch die Spur zu gleiten. Allerdings nehmen die deutschen Männer die Verfolgung der Norweger „nicht mit brachialer Gewalt“ auf, wie Cheftrainer Frank Ullrich versichert: „Wir müssen uns Schritt für Schritt nähern. Es geht ja nicht, dass man Laufbestzeit hat, dann neunzehn, zwanzig Sekunden am Schießstand braucht und dabei null Fehler schießt.“

Die Verbesserung der Laufleistung ist beim Biathlon in der Regel erst einmal verbunden mit einer Verschlechterung der Trefferzahl, weil sich der Körper daran gewöhnen muss, bei erhöhtem Puls nach dem Laufen die Ruhe zu bewahren fürs Schießen. Bis die Disziplinen wieder ausbalanciert sind, dauert es seine Zeit. „Wir müssen Fehler verzeihen“, sagt Ullrich, „wir wollen versuchen, im Grenzbereich mitzulaufen und dann das Schießen wieder in den Griff zu kriegen.“ Norbert Baier, der Technische Leiter Biathlon im DSV, hat schon gute Ansätze gesehen: „Ich glaube, dass wir wieder etwas stärker werden. Wenn der Einklang zwischen Laufen und Schießen eintritt, sollten vordere Platzierungen drin sein.“