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Schnell oder langsam?Kita-Träger üben Verzicht

Ab 2019 soll eine Erzieherin in Hamburg maximal vier Krippenkinder betreuen. Darauf haben sich die SPD und Verbände geeinigt.

Viele Kinder, wieviel Betreuer? Bild: dpa

HAMBURG taz | Das war ein knappes Timing. An diesem Freitag wollen 150 Kitas ab „fünf vor zwölf“ schließen, als Protest für mehr Personal. Mittwochabend einigte sich die „Vertragskommission“ von Sozialbehörde und Kita-Verbänden im Beisein von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Andreas Dressel auf eine „Eckpunktevereinbarung“ für bessere Qualität in Krippe und Kita. In einem Stufen-Plan soll bis 2019 der Erzieher-Kind-Schlüssel in Krippen auf eins zu vier, und bis 2025 auch für ältere Kita-Kinder auf eins zu zehn sinken. Gesamtkosten: 110 bis 120 Millionen Euro.

Die Betreuungsschlüssel in Kitas sind längst ein Renner im Wahlkampf geworden, denn Hamburg hat bei den Krippen den schlechtesten aller westdeutschen Länder. Noch vor ein paar Wochen hatte SPD-Sozialsenator Detlef Scheele angesichts eines Protestbriefs von 500 Kita-Leitungen von Flausen gesprochen und bedauert, es gebe keinen Spielraum.

Mitte November dann stellte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel einen Antrag vor, der dies widerlegte. Für die Kleinsten bis 18 Monate sollte der Schlüssel nach der Wahl um zehn Prozent steigen. Der Wohlfahrtsverband Soal nannte dies eine „homöopathische Dosis“, CDU, Grüne und Linke würden mehr Geld in die Hand nehmen und den Krippenschlüssel zügiger auf eins zu vier anheben, wie es die Wissenschaft fordere.

Ein kleienr Coup

Kita im Wahlkampf

In Hamburg muss sich laut einer Bertelsmann-Studie eine Fachkraft um 5,4 Krippenkinder kümmern. Das ist der schlechteste Wert aller westdeutschen Länder. Wissenschaftlicher Mindeststandard ist eins zu vier.

Bei den Drei- bis Sechsjährigen liegt der Hamburger Schlüssel bei eins zu zwölf. Die Wissenschaft fordert eins zu acht.

Die CDU hat versprochen, den Krippenschlüssel bis 2020 schrittweise auf eins zu vier zu senken. Dafür würde sie 80 Millionen Euro ausgeben.

Die Grünen wollen schon bis 2016 den Eins-zu-Vier-Krippenschlüssel. Das sei finanzierbar.

Die Linke will sowohl für die Krippen- als auch für ältere Kita-Kinder mehr Personal. Die benötigten 63 Millionen Euro würden über über höhere Grunderwerbssteuern eingetrieben.

Nun hat die SPD-Fraktion mit der „Eckpunktevereinbarung“ einen kleinen Coup gelandet. Denn sie hat die Kita-Verbände überzeugt, einen Teil ihrer Einnahmen umzuschichten. Das Kita-Budget wird in jedem Jahr automatisch an die Preissteigerung angepasst, 2014 lag diese Rate bei 3,27 Prozent und machte rund 20 Millionen Euro aus. Auf einen halben Prozentpunkt davon werden die rund 1.000 Kitas künftig verzichten und dieses Geld in bessere Schlüssel umschichten.

Zunächst soll nun zum 1. April 2015 der Krippenschlüssel für Kinder von null bis 24 Monate um zehn Prozent steigen. Kita-Träger und Stadt zahlen dafür jeweils die Hälfte von 2,5 Millionen Euro. Im zweiten Schritt soll dies zum August 2017 für Kinder unter drei gelten. Die Stadt zahlt dann vier, die Kitas 3,12 Millionen Euro. Den Schritt zum Eins-zu-vier-Schlüssel soll es zum August 2019 geben. Verbesserungen für die drei- bis sechsjährigen Kinder und die Anrechnung von Vorbereitung und Ausfallzeiten sollen bis 2025 folgen.

Die Kitas sollen dann insgesamt 30 bis 40 Millionen Euro beisteuern, die Stadt etwa 80 Millionen. Dabei setzen Dressel und Scheele darauf, dass die Hälfte der Summe vom Bund kommt, etwa durch Verwendung des umstrittenen Betreuungsgeldes oder durch Mittel aus dem neu verhandelten Finanzausgleich. „Wir haben viele heiße Eisen im Feuer“, sagte Dressel.

Jens Stappenbek von der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände erklärte, dass die Kitas etwas beisteuern, bedeute nicht, dass man finanziell „Luft“ habe. „Wir machen das, weil wir wollen, dass sich was tut.“ Auch würden die Eckpunkte neu verhandelt, wenn das Geld nicht mehr für Tarifbezahlung reicht. Da die Kitas einen großen Teil beisteuern, hätte man sich ein „Mehr und das schneller gewünscht“, ergänzt Soal-Sprecherin Sabine Kümmerle. Deshalb würden viele der 150 Kitas die symbolische Schließung trotzdem durchführen.

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