der gorilla von barcelona : Schneeflöckchen stirbt
Der Albino Copito de Nieve (40, „Schneeflöckchen“) liegt im Sterben. Er ist Popstar und der berühmteste Gorilla Spaniens.
Die nordspanische Metropole Barcelona nimmt Abschied von Schneeflöckchen. Der Affe ist einzig auf der Welt. Er ist schneeweiß, ein Albino. Diese Besonderheit hat ihm nicht nur Popularität und den Job als Maskottchen Barcelonas beschert. Erwurde auch zur Popikone, verewigt u. a. auf Plattencovern (die obige Abbildung zeigt: „Rooty“ von Basement Jaxx).
Seine Besonderheit hat ihm aber auch seine tödliche Krankheit eingebracht: Copito hat Hautkrebs. Er werde wahrscheinlich noch vor Weihnachten sterben, teilte der Tierpark am Dienstag mit. Der Menschenaffe, vor dessen Käfig Kinder und Erwachsene in langen Schlangen Abschied nehmen, seit sein Gesundheitszustand öffentlich gemacht wurde, leidet nach Angaben der Ärzte nicht.
Bevor ihn die Marketingexperten des Zoos in Barcelona zur Publikumsattraktion Schneeflöckchen machten, hieß er Nfumu Ngui. Das bedeutet in der Sprache der Menschen von Äquadorial-Guinea ganz einfach weißer Gorilla. Deren Jäger fanden das völlig verstörte Affenbaby 1966 beim Kadaver eines erlegten Gorillaweibchens. 15.000 Peseten – deutlich mehr als der damalige Monatslohn eines spanischen Facharbeiters – bekamen sie dafür von Jordi Sabater, einem Biologen, der im Dschungel der spanischen Kolonie forschte. Als guter Katalane vermachte Sabater das seltsame Wesen dem Zoo seiner Heimatstadt Barcelona. Obwohl ihm aus Kanada eine Million Dollar angeboten wurden.
„Ich hätte nie gedacht, dass er so alt wird“, sagt Sabater heute. Copito lebt seit 37 Jahren in Gefangenschaft. In freier Wildbahn lebt ein normaler Gorilla meist nur 25 bis 30 Jahre. Der weiße Copito wäre sicher früher einem Raubtier zum Opfer gefallen.
Jetzt, wo sein Nfumu Ngui im Sterben liegt, hinterfragt der Biologe aber die Entscheidung, ihn nach Barcelona zu bringen: „Die Gefangenschaft von Copito hat nur den Ruf des Zoos von Barcelona aufgebessert. Für die Gorillas hat sie nichts gebracht.“ Sabater hätte es gerne gesehen, wäre die weltweite Popularität Copitos für Kampagnen zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Gorillas genutzt worden. „Ich hoffe, dass wenigstens sein Tod für eine Initiative genutzt wird“, sagt er. Sabater denkt an einen Forschungspreis. Oder Ähnliches.
Doch es sieht nicht danach aus. Die Stadtverwaltung von Barcelona denkt einmal mehr nur ans Marketing. So gibt es nicht einmal einen Tag der offenen Tür, an dem die Besucher, ohne die hohen Eintrittspreise zu zahlen, Abschied nehmen können. Selbst über den Tod hinaus plant die Stadtverwaltung weiter. So soll ein Platz oder eine Straße nach Copito benannt werden. Einige schlagen gar vor, den Affen zu klonen. Das ist – zumindest zum heutigen Stand – nicht möglich.
Doch Copito hat Nachkommen. 22-mal wurde er mit drei verschiedenen Weibchen Vater. Der Albinofaktor wird rezessiv vererbt. Es besteht die Chance, dass in einer der folgenden Generationen wieder ein weißer Gorilla geboren wird. REINER WANDLER