: Schneckenhaus adé?
Seit Anfang des Jahres arbeitet in Bremen ein so genanntes „Art_Serv_Net“. Das Ziel: Die freie künstlerische Zusammenarbeit mit Danzig und Riga zu fördern. Erste Früchte sind in Gestalt eines polnischen Painting Acts beim Straßenzirkus-Festival „La Strada“ am Wochenende zu erleben
Nicht nur das „Viertelfest“ soll sich am Wochenende musisch neu erfinden, auch das zeitgleich startende Straßenzirkus-Festival „La Strada“ verspricht „kultureller“ denn je zu werden. Jedenfalls soll erstmals in der mittlerweile zehnjährigen Geschichte des Spektakels auch die Bildende Kunst einbezogen werden – in Gestalt der Danzigerin Anna Tomaszuk.
Die „Kunstarbeiterin“ verbindet Malerei und Performance. Konkret: Ihre mobiles Atelier ist eine Baustelle, auf der sich Tomaszuk mitten in der BesucherInnen-Menge ans farbige Werk begibt. „Solche Cross-over-Aktionen sind genau das Richtige für unser Festival“, meint Mitorganisatorin Gabriele Koch vom Theaterkontor. Hintergrund der Einladung von Anna Tomaszuk ist die seit Anfang des Jahres institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den künstlerischen Szenen in Bremen und Danzig. Im Januar hat das aus Gabriele Koch und ihrem Computer bestehende Ein-Frau-Agentur die Arbeit aufgenommen, gefördert mit (einmalig) 50.000 Euro aus dem ehemaligen Kulturhauptstadt-Fonds. Die Idee dahinter: Der kulturelle Austausch der Partnerstädte, bislang dominiert durch Domchor-Reisen und Ausstellungen in der Städtischen Galerie, soll künftig insbesondere die freien Szenen einbeziehen.
„So was muss natürlich langsam wachsen“, sagt Koch. „Vertrauensbildende Maßnahmen“ seien erforderlich, zugleich gelte: „Wir können unheimlich viel lernen.“ Zum Beispiel, erfolgreich EU-Anträge zu stellen. Wenn die städtischen Mittel schrumpfen, muss man es eben drei Ebenen höher versuchen – wo man freilich auch mit entsprechenden qualitativen und formalen Anforderungen konfrontiert ist. Die ursprünglich in Bremen geplanten „Hansepassagen“ etwa, eine künstlerische Zusammenarbeit historischer Hansestädte, kam nicht zu Stande. „Danach wollten uns nicht wieder ins Schneckenhaus verkriechen“, sagt Koch.
Die Vorarbeiten wurden genutzt, der neue Name des Netzwerkprojekts: „Network of Performing Art Services“, kurz, wenngleich kaum prägnanter, „Art_Serv_Net“. Organisatorisch ist die Arbeit an Schwankhalle und Theaterkontor angedockt.
Auffällig erfolgreich sind derzeit EU-Projekte, die unter der Regie von osteuropäischen Einrichtungen entwickelt werden. „Wenn sie sich bei der Partnersuche dann an Bremen erinnern, ist für uns viel gewonnen“, sagt Koch. Hintergrund dieser Dynamik ist nicht nur so etwas wie ein „Ost-Bonus“ der Neumitglieder, sondern oft auch die geballte kreative Energie dortiger Initiativen, die ihre nunmehr vorhandenen Möglichkeiten kräftig nutzen. Koch: „Zusammen mit Danzig oder Riga können wir in einer Liga mitspielen, die wir sonst gar nicht stemmen können.“
Ein Mittel zur Kontaktaufnahme ist die Vergabe von kleinen Arbeits-Stipendien durch das „Art_Serv_Net“. Gerade erst durfte Markus Genesius, der unter anderem das Wasserhäuschen vor den Weserterrassen – ziemlich beeindruckend – besprüht hat, seine Dosen an Danzigs gigantischem „Nordwestknoten“ ansetzen. Diese Woche ist Michael Hartung vom Bremer „Worldbeat“ e.V. in Danzig, um eine „Jazz-Bridge“ aufzubauen. „Alle, die hinfahren, nehmen einen Auftrag mit“, betont Koch.
Wichtig sei dabei auch, sich erstmal über die Unterschiedlichkeit der kulturellen Schwerpunkte in den Städten klar zu werden.
Riga scheint so etwas wie eine Video-Stadt zu sein, Danzig „eine Mischung aus Hamburg und Berlin in den 90er Jahren“, meint Koch. Wie fühlt sie sich als einsame Spinne im europäischen Kulturnetz, mit dazu noch begrenzter Finanzierungsperspektive? Offenbar gar nicht allein: „Daran stricken viele kleine Spinnen.“ Koch ist sicher: „Viele in Bremen wollen lernen, nicht mehr so kleinteilig zu denken.“ HB
Anna Tomaszuk ist als Painting Act während des gesamten „La Strada“-Festivals an wechselnden Orten zu erleben. Der nächste „Art_Serv_Net“-Stammtisch findet am 5. September im Theaterkontor in der Schildstraße statt. Kontakt: ☎ (0421) 70 65 82