: Schnaps und Heroin
■ Betr.: Heroinbeschluß der SPD - taz vom 20.6.90
L E S E B R I E F (E)
Staatlich kontrollierte Heroinvergabe an Süchtige - ob der Vorschlag von H. Isola verfüht oder unsinnig ist, oder ob es gar zynisch ist, Leute mit Drogen vollzustopfen, damit sie nicht klauen: Das macht so lange keinen Sinn und Verstand, bis wir nicht auch beherzigen: „Es ist zynisch, Leute mit Alkohol vollzustopfen, weil der Staat dran verdient.“
Alkohol ist wie Heroin eine bewußtseinsverändernde Droge mit Organschädigung und tödlichem Ausgang. Da gibt es keinen Unterschied, Entzugserscheinungen sind gleichermaßen unerträglich für Süchtige. Nur: Die Alkoholabhängigen können sich relativ preiswert, offen und unbürokratisch Erleichterung verschaffen. Alkohol ist eine Droge, die verschenkt werden kann. Bringen Sie mal einem Heroinabhängigen einen Schuß mit.
Das geht nicht, weil Heroin eine „kulturfremde“ Droge ist, Schnaps dagegen recht gesellschaftsfähig, und dabei rollt ja nun auch der Rubel in die Staatsschatulle. Wenn das keine Bewußtseinsspaltung im nüchternen Zustand ist.
Jeder vor sich hinlallende und schwankende Stammkunde wird mit freundschaftlichem Schulterklopfen bedacht. (...) Auf diese tolerante Behandlung müssen Drogenabhängige verzichten. Abscheu und unverständiges Kopfschütteln ist die Regel. In diesem Sinne ist der Vorschlag von Isola noch gar nicht weitgehend genug. Ich meine, er kommt reichlich spät.
Marion Peter
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